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Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold

Titel: Chronik der Vampire 08 - Blut und Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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legte eine Hand auf die Schulter des jungen Mannes und sah ihm dabei in die Augen. Er musste jetzt wohl die alte Gabe der Bezauberung nutzen, die so viele Bluttrinker nicht mehr beherrschten.
    »Du gehst mit mir«, sagte er. »Du hast auf mich gewartet.« Das erinnerte ihn an vergangene Jagdausflüge und Schlachten. Er sah, wie sich die Augen des jungen Mannes umwölkten, sah, wie sich sein Gedächtnis ausschaltete. Der Mann ging mit ihm zu einer Bank, die sich an der Wand entlangzog, und sie setzten sich gemeinsam nieder. Thorne strich ihm mit massierenden Fingern über den Hals, ehe er von ihm trank; dabei dachte er bei sich: Gleich ist dein Leben mein, und dann bohrte er ihm seine Zähne in den Hals und sog mit aller Kraft. Wie eine Flut ergoss es sich in seine Seele. Er sah schäbige Bilder von wüsten Verbrechen, sah, wie von diesem seinem Opfer ohne einen Gedanken an Urteil oder Strafe Leben ausgelöscht wurden. Ich will nur dein Blut. Er spürte, wie das Herz des Mannes zerbarst. Und dann ließ er den Körper los und lehnte ihn gegen die Wand. Er küsste die Wunde, tröpfelte ein wenig von seinem heilenden Blut darauf, damit sie sich schloss. Er wachte aus seinem träumerischen Schmaus auf und sah sich in dem trüben, verrauchten Raum voller Unbekannter um. Wie fremd ihm alle Menschen schienen, wie hoffnungslos ihr betrübliches Sein. Er selbst konnte nicht sterben, verflucht, wie er war, aus ihnen allen aber atmete der Tod.
    Wo war Marius? Er konnte ihn nicht finden! Er erhob sich von der Bank, eifrig bemüht, von dem hässlichen, beschmutzten Leichnam seines Opfers fortzukommen, und schob sich in das Gedränge. Dabei stolperte er heftig gegen einen Mann mit hartem, grausamem Gesicht, der den Stoß zum Anlass für einen Streit nahm.
    »Was rempelst du mich an, Mann?«, sagte der Sterbliche, indem er Thorne mit zusammengekniffenen, hasserfüllten Augen anschaute.
    »Nun komm aber«, sagte Thorne, während er forschend in den Geist des Mannes eintauchte, »willst du jemanden töten, nur weil er dich angerempelt hat?«
    »Klar!«, antwortete der Mann, den Mund zu einem grausamen, verächtlichen Grinsen verzogen. »Du bist auch gleich dran, wenn du nicht verschwindest.«
    »Aber lass mich dich zuerst küssen«, sagte Thorne, packte den Mann an der Schulter, beugte sich zu ihm und senkte seine Fangzähne in dessen Hals, während die Umstehenden, dieser verborgenen Waffe gar nicht gewahr, ob dieser intimen, verwirrenden Geste lachten. Thorne nahm einen tiefen Schluck. Dann leckte er die Stelle kunstvoll sauber. Der Fremde war völlig verblüfft, geschwächt und taumelte leicht. Seine Freunde lachten immer noch. Schnell verließ Thorne die Spielhölle und trat hinaus in den Schnee, wo er Marius fand, der schon auf ihn wartete. Der Wind war inzwischen heftiger geworden, doch es fiel kein Schnee mehr.
    »Mein Durst ist ungeheuer!«, sagte Thorne. »Als ich draußen im Eis schlief, konnte ich ihn im Zaum halten wie eine angekettete Bestie, aber nun beherrscht er mich. Jetzt, wo ich erst einmal angefangen habe, kann ich nicht mehr aufhören. Ich will immer noch mehr.«
    »Dann sollst du es auch bekommen. Aber töten darfst du nicht. Nicht einmal in einer so großen Stadt wie dieser. Komm, folge mir.«
    Thorne nickte. Aber er hatte ja schon getötet! Er sah Marius an und gestand ihm mit stummen Gedanken dieses Verbrechen. Marius zuckte mit den Schultern. Als sie ihren Weg fortsetzten, legte er den Arm um Thorne. »Wir müssen noch viele Orte aufsuchen.«
    Es dämmerte fast schon, als sie in Marius’ Haus zurückkehrten. Sie gingen hinunter in den holzvertäfelten Keller, wo Marius Thorne in eine Kammer führte, die direkt in den Fels gehauen war. Die Wände hier waren kalt, aber ein übergroßes, prächtiges Bett war darin aufgestellt, mit Leinenvorhängen in fröhlichen Farben und überhäuft mit aufwändig bestickten Decken. Die Matratze sah sehr üppig aus, ebenso die unzähligen Kissen. Thorne war irritiert, weil es keine sicher verschlossene Gruft gab, kein richtiges Versteck. Hier konnte ihn doch jeder finden. Es war genauso wenig geheim wie sein Höhlenversteck oben im hohen Norden, doch war dies hier viel einladender, viel luxuriöser. Er fühlte die Müdigkeit in allen seinen Knochen, sodass er kaum noch sprechen konnte. Dennoch war er besorgt.
    »Wer sollte uns hier stören?«, sagte Marius. »Die anderen Bluttrinker legen sich jetzt genau wie wir in dieser unvertrauten Dunkelheit zum Schlaf nieder. Und ein

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