City Crime – Vermisst in Florenz
mal vergeblich mit ihrem Vater versucht hatte, den Vasari-Korridor zu besuchen. Nur fünfzig Personen durften täglich den Gang betreten. Diejenigen, die jetzt dort oben entlanggingen, hatten sich über ihre Reisegruppen Monate vorher angemeldet. »Da haben wir keine Chance. Aber bestimmt gibt es zwischendrin Notausgänge. Und wo man herauskann, kommt man auch irgendwie hinein!«
»Ah ja?«, fragte Finn mit bissigem Unterton. »So wie in dem Haus der Bande?«
»Wieso?«, wunderte sich Joanna unschuldig. »Da sind wir doch auch wieder rausgekommen. Wenn auch nur mithilfe von Frances…« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und drehte sich mehrfach nach allen Seiten um. »Wo steckt der eigentlich?«
Auch Finn hatte ihn zuletzt nicht mehr gesehen.
»Der hat sich abgesetzt!«, vermutete er, worüber er keineswegs unglücklich war. »Hat wohl gemerkt, dass er nicht zu uns passt.«
»Blödmann!«, schimpfte Joanna. Sie schaute sich erneut nach Francesco um. »Wo steckt der bloß?«
»Da!« Andrea zeigte die Straße entlang.
Aber da war nichts zu sehen als weitere Touristenströme, die zur Mitte der Brücke drängten, weil auch sie wie Tausende vor ihnen Fotos von sich unter den Torbögen, mit dem Arno im Hintergrund, knipsen wollten.
Doch dann entdeckte Finn ihn auch. Da huschte jemand Kleines wieselflink durch die Menschenströme hindurch. Francesco!
Finn zeigte Joanna, wo sie hinschauen musste.
»Der flieht doch vor irgendetwas!«, glaubte Joanna.
Sie sah sich um, konnte aber niemanden entdecken, der einen Diebstahl bemerkt hätte, sich hilflos umsah oder gar Francesco verfolgte.
»Los, hinterher!«, forderte Andrea.
Doch Finn sah das gar nicht ein. »Wieso denn? Wenn der weiter klaut, lass ihn doch. Ich will damit nichts zu tun haben!«
»Der nicht stehle!«, behauptete Andrea.
Doch da war sich auch Joanna nicht so sicher. Woher wollte Andrea das wissen?
Die Antwort war für ihn sonnenklar: »Weil er nicht mehr hat seine Bande. Für wen er solle stehle, eh?«
»Vielleicht gerade deshalb«, unterbrach Finn ihn. »Vielleicht will er sich bei denen wieder einschleimen?«
Andrea schüttelte ärgerlich den Kopf. »So eine große Quatsch! Dann er hätte ja nicht gehe müsse mit uns, eh?«
Finn zuckte nur mit den Schultern. Er war froh, Francesco los zu sein.
Andrea hingegen kratzte sich nachdenklich am Kopf. Sein Gefühl sagte ihm, dass da etwas nicht stimmte. Aber auch er sah weder etwas von Francesco noch irgendeinen Grund für dessen Flucht.
»Und nun?«, fragte Joanna in die Runde. Sie hatte gehofft, dass Francesco am ehesten einen Weg gefunden hätte, in den alten Geheimgang hineinzukommen. Diese Hoffnung war nun in den Touristenknäueln auf dem Ponte Vecchio verschwunden.
»Kommt, wir schauen mal, ob es dort einen Eingang gibt«, versuchte Finn, seine Schwester aufzumuntern. »Schließlich konnte Papa von Francesco nichts ahnen. Also muss es für uns ja irgendwie möglich sein, seinen Hinweis zu finden.«
Das leuchtete Joanna ein. Mit einem schon etwas fröhlicheren Gesicht stimmte sie zu.
Die drei blieben so dicht wie möglich zusammen und zwängten sich durch die Menschen hindurch bis zum Fuße des linken Torbogens. Dort angekommen, wussten sie aber auch nicht weiter. Sie fanden weder eine Tür, durch die man in den Vasari-Korridor gelangt wäre, noch hatten sie eine andere Idee, wo ihr Vater den dritten Kartenteil hätte hinterlegt haben können.
»Mist!«, fluchte Joanna. »Totale Sackgasse! Was machen wir jetzt?«
»Essen!«, schlug Finn vor.
»Was?« Joanna glaubte sich verhört zu haben.
Doch Finn hatte schon nach der Ankunft bei ihr Hunger gehabt. Außer den zwei Pfirsichen und dem Eis hatte er noch immer nichts gegessen. Hinzu kam, dass es allmählich auf den Abend zuging. Finn steckte noch die Reise in den Knochen. Doch statt sich erst mal auszuruhen und anzukommen, war er sofort auf Schatzsuche gegangen, hatte einen Überfall auf Giovanni miterlebt, war selbst bestohlen worden, hatte den Dieb verfolgt, war vor anderen Dieben geflüchtet und hatte schließlich einen neuen, dubiosen Mitstreiter gefunden. Und wieder verloren.
»Ganz ehrlich, für den ersten Tag hier in Florenz langt’s mir eigentlich!«, stellte er fest.
Joanna musste ihm recht geben. »Okay, gehen wir nach Hause und essen erst mal ordentlich.«
»Du hast zu Hause nichts zu essen«, erinnerte Finn seine Schwester.
»Wir schieben uns eine Supermarkt-Pizza in den Ofen, okay?«, schlug Joanna vor und fragte
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