City Crime – Vermisst in Florenz
Hause sei.
Finn knabberte nur langsam an seiner Pizza weiter. All die kleinen Lügengeschichten, die Joanna ihrer Mutter auftischte, konnten irgendwann auf ihren Vater zurückfallen, überlegte er. Und dann wäre ihr Plan, die beiden wieder zusammenzuführen, völlig dahin.
Joanna verabschiedete sich, legte auf und kehrte an den Tisch zurück. Finn sah ihr an, dass auch sie sich zunehmend unwohl fühlte mit der Situation.
»Wir müssen Papa bald finden«, sagte sie leise.
»Sowieso«, stimmte Finn ihr zu.
»Und?«, fragte Andrea.
Joanna verstand nicht.
»Du hattest eine Idee, wo wir verstecken das Notizbuch«, erinnerte Andrea sie.
»Ach so, ja!«, fiel es auch Joanna wieder ein. »Ganz einfach: bei Giovanni!«
»Bei …!« Andrea war kurz davor, aufzuspringen. »Aber … den sie haben doch …«
Joanna nickte ihm zu. »Aber das Original haben sie nicht bekommen. Trotz des Überfalls. Giovanni hatte sie ausgetrickst.«
Andrea setzte sich wieder richtig auf seinen Stuhl. »Gar nicht mal so dumm, die Idee!«, musste er zugeben. Giovanni war wirklich eine gute Wahl.
»Find ich auch«, schmunzelte Joanna ihm zu. »Gleich nach dem Essen bringen wir es zu ihm.«
Eine aufregende Nacht
Sie kamen zu spät. Sie wussten zwar, dass das Vivoli um 20 Uhr schloss, hatten aber gehofft, Giovanni um kurz vor neun noch anzutreffen, weil er vielleicht mit der Reinigung, der Buchhaltung oder Ähnlichem zu tun hatte. Doch in dem Eiscafé war schon alles dunkel.
Joanna ärgerte sich, denn nun mussten sie überlegen, wo sie über Nacht mit dem Notizbuch bleiben sollten. Es zu Hause aufzubewahren schien ihr zu gefährlich. Sie trauten sich nicht einmal, es bei Andrea zu hinterlegen. Denn die Männer hatten ja mitbekommen, dass er gemeinsam mit Joanna und Finn durch die Straßen zog.
Aus dem gleichen Grunde schied leider auch das Quartier von Francescos Diebesbande aus. Obwohl diese Möglichkeit auch ihren Reiz hatte, musste Joanna sich eingestehen. Etwas bei Dieben zu hinterlegen, um es vor Diebstahl zu schützen! Aber richtig ernsthaft in Erwägung gezogen hatte sie es dann doch nicht.
So standen die vier vor dem verschlossenen Vivoli, als sich etwas in der Fensterscheibe des Eiscafés spiegelte. Wie ein Schatten, der vorbeizog.
»Habt ihr das auch gesehen?«, fragte Finn, weil er an seiner Wahrnehmung zweifelte. Die kleine Gasse war viel zu eng, als dass hinter seinem Rücken jemand unbemerkt hätte vorbeilaufen können. Außerdem war es zwar dunkel, aber die Schriftzüge Vivoli und Il Gelato waren aus Neonröhren geformt, sodass die Straße an dieser Stelle ausgeleuchtet wurde.
Doch dann begriff Finn, dass er nichts gesehen, sondern nur etwas gespürt hatte. Wie eine Vorahnung. Ein Warninstinkt, der tief in ihm vielleicht als genetisches Vermächtnis seiner Vor-Vor-Vorfahren in ihm schlummerte und sich nun gemeldet hatte. Denn jetzt, als er sich umdrehte und die kleine Gasse entlangschaute, sah er, wie zwei dunkel gekleidete Männer schnellen Schrittes auf sie zukamen. Die beiden Männer!
»Weg hier!«, brüllte Finn.
Die anderen fragten nicht nach, sondern rannten sofort gemeinsam mit ihm los. Die Männer wechselten nun ebenfalls in den Laufschritt.
Finn lief, so schnell er konnte. Aber wie schon beim ersten Mal erkannte er, dass Andrea deutlich schneller war, nicht nur in der Menschenmenge, sondern erst recht in einer nahezu leeren Gasse. Doch mit Francesco und Joanna konnte Finn mithalten. Es war auch gut so, dass Andrea vorauslief, denn genau wie Francesco kannte er sich bestens in Florenz aus.
An der ersten Kreuzung bog Andrea links in die Via dell’Anguillara ein, in der es schon lebhafter zuging. Auf der Straße vor den Restaurants waren alle Tische und Stühle voll besetzt, dazwischen wieselten die Kellner mit ihren vollen Tabletts flink hindurch.
Finn lief dicht an der Hauswand entlang, um mit keinem der Kellner zu kollidieren. Am Ende der Straße gelangten sie auf die Piazza Santa Croce, den Platz vor der größten und bedeutendsten Franziskanerkirche Italiens. Zwar hatte auch die Kirche längst geschlossen, aber ihre Berühmtheit und ihre monumentale Fassade sorgten dafür, dass der Platz davor bis spät in die Nacht voll besetzt war. Tagsüber standen hier die Touristen Schlange, denn die Kirche beherbergte nicht nur von großen Meistern gemalte Fresken, sondern auch die Gräber von Michelangelo, Galileo Galilei, Machiavelli, Gioacchini Rossini und anderen Berühmtheiten. Abends tummelten sich
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