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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
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er sich verbeugte und mir die Hand küsste! Ich war eine Närrin, aber nun ist alles gut, weil ich mich daran erfreuen kann, dass er tot ist.« Sie schniefte heftig. »Aber der Kopf tut mir weh. Warum hat Fettle meine Haare nicht ausgebürstet? Ich kann die Haarnadel nicht selbst herausnehmen, und sie scheuert an meiner Kopfhaut! Nein, da fällt es mir wieder ein: Ich habe die Bürste nach ihr geworfen. Und später habe ich sie geschlagen und rausgeworfen, und sie hat mir den Hund weggenommen. Und bald wird sie weggehen – alle meine Dienstboten werden gehen, jetzt, da meine Macht gebrochen ist.« Cassandras Miene war nüchtern: »Ich werde niemanden mehr haben, der mich bedient. Ich werde allein sterben. Ich werde sterben. Ich habe nicht geglaubt, dass ich sterben müsste. Nicht wirklich.«
    Sie hob die Hände und nestelte an der Haarnadel. Eine Strähne hatte sich verknotet und leistete Widerstand. Einen Augenblick später ließ sie die Hände sinken und fing erneut an zu weinen. Lizzie Rose bückte sich und sammelte die Decken auf, die neben dem Bett auf dem Boden lagen. Mit einem Ruck fuhr der Kopf der Hexe hoch.
    »Wag es nicht, mich zu bemitleiden, Miss Rühr-mich-nicht-an! Kleine Miss Tugendsam! Ich lasse es nicht zu, dass du mich anglotzt. Ich will dich hier nicht! Ihr drei habt mir alles genommen und ihr habt mir die Nachricht überbracht, dass mein letzter Geliebter tot ist – und ich lasse es nicht zu, dass ihr mir beim Sterben zuseht! Raus, raus hier!«
    Parsefall war schon an der Tür, Clara folgte ihm und Lizzie Rose legte das Bettzeug ab und schickte sich ebenfalls an, das Zimmer zu verlassen. Ruby hingegen flitzte auf das Bett zu, sprang hinauf und fing an, das Gesicht der alten Frau zu beschnüffeln und abzulecken. Cassandra brach in ein Wehklagen aus, das sie nur unterbrach, um Luft zu holen.
    »Sie weint«, stellte Lizzie Rose fest. Es wäre nicht nötig gewesen, darauf hinzuweisen. Die beiden anderen Kinder blickten Lizzie Rose erstaunt an. Trotzdem wiederholte Lizzie Rose ihre Worte: »Sie weint.«
    »Sie is’ böse«, entgegnete Parsefall. Er dachte einen Augenblick lang nach. »Sie is’ nicht so böse wie Grisini«, räumte er dann ein.
    »Grisini ist tot«, erinnerte ihn Clara.
    Lizzie Rose bückte sich und hob abermals das Bettzeug auf. Sie breitete die Decken über die schluchzende Frau und machte sich daran, sie ringsherum festzustopfen. Clara zögerte nur kurz, dann ging sie auf die andere Seite des Betts, um Lizzie Rose zu helfen.
    »Nur weil sie weint, heißt das nich’, dass sie nich’ böse is’«, sagte Parsefall. Er zog einen Stuhl vom Frisiertisch heran und setzte sich rittlings darauf.
    Lizzie Rose ließ sich auf der Bettkante nieder. Behutsam kämmte sie mit den Fingern das Haar der alten Frau und löste den Knoten, in dem sich die mit Edelsteinen besetzte Haarnadel verfangen hatte.

48. Kapitel

     
    In dem wir eine alte Bekannte wiedertreffen
     
    A m Nachmittag vor Grisinis Tod saß Dr. Wintermute mit einer medizinischen Fachzeitschrift auf dem Schoß in seiner Bibliothek. Er brachte eine halbe Stunde damit zu, die erste Seite eines Artikels zu lesen, nur um festzustellen, dass er nichts davon erfasst hatte. Er versank in einer Art von beklemmendem Tagtraum, und so bekam er nicht mit, wie die Tür zur Bibliothek geöffnet wurde. Die Stimme seines Butlers ließ ihn zusammenfahren.
    »Sir, eine Person wünscht Sie zu sprechen.«
    Dr. Wintermute hob den Kopf. Seine Patienten waren für gewöhnlich keine »Personen«, sondern Ladies und Gentlemen. »Hat diese Person ihren Namen genannt?«
    »Ja, Sir«, antwortete der Butler. »Sie sagt, ihr Name sei Mrs Pinchbeck.« Er klang skeptisch. »Ich habe ihr mitgeteilt, dass Sie nicht gestört werden wollen. Aber sie versicherte mir, Sie würden sie sehen wollen.«
    Dr. Wintermute legte die Zeitschrift beiseite und erhob sich. Sein Herz pochte heftig. »Sie hat ganz recht. Bitte führen Sie sie herein.«
    Er überlegte kurz und fügte hinzu: »Es ist nicht nötig, Mrs Wintermute über den Besuch in Kenntnis zu setzen.«
    »Nein, Sir«, pflichtete ihm der Butler bei. Sein Tonfall blieb neutral, doch Dr. Wintermute meinte, Mitleid in den Augen des Mannes aufblitzen zu sehen.
    Wieder allein, versuchte Dr. Wintermute, sich für das zu wappnen, was Mrs Pinchbeck ihm zu sagen hatte. Er hatte sie gebeten, sich bei ihm zu melden, falls sich irgendwelche Hinweise auf Claras Verbleib ergeben sollten. Angestrengt kämpfte er gegen die

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