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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
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den Luftzug zu spüren, der durch die undichten Fenster drang. Sie zog die Vorhänge beiseite und starrte in die Dunkelheit hinaus.
    Es war eine eisige und friedliche Nacht. Über dem Lake Windermere hing ein Dreiviertelmond. Cassandra sah seinen Schein auf der Oberfläche des Sees glitzern. Wie kühl das Wasser sein musste! Sie wünschte, sie wäre kräftig genug, das Haus zu verlassen, um zum See hinunterzugehen. Das eiskalte Wasser wäre frisch und sauber und es hieß, Ertrinken sei ein schmerzloser Tod. Feuer dagegen …
    Cassandra schüttelte den Kopf. Sie gehörte nicht zu der Sorte Schwächling, die sich selbst das Leben nahm. Solange sie lebte, würde sie kämpfen. Es musste einen Weg geben, den Feueropal zu zähmen, bevor er sie vernichtete. Sogar Grisini hatte gesagt: Es sei denn  … Es musste eine Lösung geben und beinahe hätte er sie ihr verraten. Abermals schwor sie sich, ihn nicht kommen zu lassen. Nie würde sie sich so erniedrigen, ihn um Hilfe zu bitten. Gleichwohl …
    Sie wandte sich vom Fenster ab. Als ihr Blick den Spiegel über dem Kaminsims streifte, schnappte sie laut nach Luft. Das Spiegelbild zeigte nicht sie, sondern eine junge Frau auf einem Scheiterhaufen. Sie war an einen Holzpfahl gebunden, umringt von einer Menschenmenge. Die Gesichter waren im Rauch nicht zu erkennen. Die Frau verbrannte, ihr Mund war zu einem lautlosen Schrei aufgerissen.
    Cassandra fragte sich, ob sie das träumte. Sie sah sich um, suchte Halt im Anblick vertrauter Dinge. Geschnitztes Holz und roter Damast, vergoldeter Stuhl und Frisiertisch, Kerzenhalter und Waschtisch und der See draußen vor dem Fenster …
    Sie war wach. Sie träumte nicht.
    Ihr Blick wanderte zurück zum Spiegel. Er zeigte jetzt eine andere Frau: Sie war älter, hatte eine wilde Mähne und verhärmte Züge. Auch sie brannte – bis der Rauch sie auslöschte und eine dritte Frau vor Cassandras Augen auftauchte, deren Gesicht sie an ihre einzige Freundin aus Kindertagen erinnerte. Das dritte Opfer der Flammen war nicht Marguerite, aber sie sah ihr ähnlich. Ihre langen Locken fingen Feuer und loderten in die Höhe.
    Cassandra hielt sich die Augen zu. Sie spähte zwischen den Fingern hindurch und taumelte zum Bett. Sie schloss die Vorhänge, zog sich die Decken über das Gesicht und kniff die Augen fest zu. Aber das Bild der tanzenden scharlachroten Flammen wurde sie nicht los.

8. Kapitel

     
    Im Haus von Mrs Pinchbeck
     
    G risinis Vermieterin, Mrs Pinchbeck, hatte ein Faible für Tiere. In ihrem schmalen dreistöckigen Haus hielt sie fünf Hunde, zwei Katzen, einen Papagei und einen Kanarienvogel. Lizzie Rose liebte Hunde, aber bei Mrs Pinchbeck hatte sie schweren Herzens einsehen müssen, dass es auch zu viele davon geben konnte. Seit Grisini sie aufgenommen hatte, sorgte Lizzie Rose dafür, dass die Hunde zweimal am Tag ausgeführt wurden. Das Ergebnis war jedoch nicht zufriedenstellend. Mindestens einer der Hunde – Lizzie Rose hatte Pomeroy, die Bulldogge, in Verdacht – war nicht stubenrein, was für einen wahrhaft ätzenden Gestank im Haus sorgte. Und laut war es auch: Der Mieter im obersten Stockwerk spielte Trompete, die Katzen führten Krieg im Hinterhof, das Zwitschern des Kanarienvogels war eher ein Schmettern, der Papagei kreischte und die Hunde schließlich kläfften wie wahnsinnig, sobald sie etwas hörten, sahen oder rochen. Am Morgen nach Claras Geburtstagsfeier schlief Lizzie Rose allerdings so fest, dass sie nicht mitbekam, wie jemand an die Haustür pochte und die Hunde daraufhin in wildes Gebell ausbrachen. Erst als Ruby, der kleine Spaniel, der bei ihr im Bett schlief, aufsprang und kläffte, schlug Lizzie Rose die Augen auf.
    »Schsch, Ruby«, sagte sie schlaftrunken. »Leg dich hin, sei so gut.«
    Sie tätschelte den Hund und spürte seine angespannten Muskeln unter dem seidigen Fell. Ruby war ursprünglich einer von Mrs Pinchbecks Hunden gewesen, aber sobald Grisini Lizzie Rose ins Haus gebracht hatte, war er seiner Herrin untreu geworden. Die Spanieldame war ungewöhnlich sensibel und fühlte sich zu jedem hingezogen, den Sorgen quälten. Lizzie Rose, die um ihre Eltern trauerte, fand Trost in der Zuneigung des Hundes und die beiden wurden im Nu unzertrennlich.
    »Futsch!«, kreischte der Papagei von unten. »Taugt nix! Schluss aus! Futsch!«
    Ruby bellte weiter. Fremde Männer befanden sich im Haus. Es war unerträglich.
    »Lizzie Rose«, wisperte Parsefall vor ihrer Schlafkammer, »das sind die

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