Clark Mary Higgins
Inhalt des Staubsaugers,
Ethels Testament, ihren Terminkalender und die Perserbrücke
mit. Ehe die Wohnungstür sich schloß, hörte Douglas einen von
ihnen sagen: »Sie können sich noch so große Mühe geben, es
gelingt ihnen nie, sämtliche Blutspuren von einem Teppich zu
beseitigen.«
Im St.-Vincent-Krankenhaus befand Tony Vitale sich immer
noch auf der Intensivstation, da sein Zustand nach wie vor kritisch war. Aber der Chefchirurg versicherte seinen Eltern weiterhin: »Er ist jung. Er ist zäh. Wir glauben, daß er durchkommt.«
In Bandagen eingehüllt, die die Schußwunden in Kopf, Schulter, Brust und Beinen bedeckten, und an einen Infusionstropf
angeschlossen, aus dem eine Flüssigkeit in seine Venen floß, mit
Plastikschläuchen in beiden Nasenlöchern und mit elektronischen Monitoren verbunden, die jede Veränderung in seinem
Körper registrierten, tauchte Tony aus dem Zustand tiefer Bewußtlosigkeit auf in kurze Momente des Bewußtseins. Dann
fielen ihm jene letzten Augenblicke ein. Nicky Sepettis Augen
durchbohrten ihn. Er wußte, daß Nicky ihn verdächtigte, eingeschleust zu sein. Er hätte bis ins Kommissariat fahren und nicht
unterwegs anhalten sollen, um zu telefonieren. Er hätte wissen
müssen, daß seine Tarnung erkannt worden war.
Tony glitt in die Dunkelheit zurück.
Als er mühsam das Bewußtsein wiedererlangte, hörte er den
Arzt sagen: »Jeder Tag bringt einen Fortschritt.«
Jeder Tag. Wie lange war er schon hier? Er versuchte zu
sprechen, aber es kam kein Laut aus seinem Mund.
Nicky hatte gebrüllt und mit der Faust auf den Tisch geschlagen und befohlen, daß der Kontrakt annulliert würde.
Joey hatte ihm gesagt, daß dies unmöglich sei.
Daraufhin hatte Nicky zu wissen verlangt, wer ihn ausgeschrieben hatte.
»…Jemand hat ihm die Hölle heiß gemacht«, hatte Joey gesagt. »Seine Machenschaften aufgedeckt. Jetzt ist ihm der FBI
auf den Fersen…« Und dann hatte Joey den Namen genannt.
Während sein Bewußtsein wieder schwand, war Tony der
Name eingefallen: Gordon Steuber.
Im 20. Polizeirevier in der 82. Straße West saß Seamus und
wartete. Sein bleiches, rundes Gesicht war schweißgebadet.
Er versuchte, sich an alle Ermahnungen von Ruth zu erinnern
und auch an das, was sie ihm eingeschärft hatte auszusagen.
In seinem Kopf schwirrte alles durcheinander.
Das Zimmer, in dem er saß, war spartanisch. Ein Tisch, dessen Oberfläche voller Brandflecken von Zigaretten war. Holzstühle. Der, auf dem er saß, tat ihm im Rücken weh. Ein
schmutziges Fenster ging auf die Querstraße hinaus. Der Ver
kehr draußen war die Hölle; Taxis, Busse und Autos hupten
durcheinander. Das Gebäude war umringt von Polizeiwagen.
Wie lange würden sie ihn wohl hierbehalten?
Eine weitere halbe Stunde verging, ehe zwei Polizeibeamte
hereinkamen. Eine Gerichtsstenographin folgte ihnen und setzte
sich auf einen Stuhl hinter Seamus. Er wandte sich um und sah
zu, wie sie den Stenographierapparat auf ihren Knien bereitmachte.
Der Name des älteren Polizisten war O’Brien. Er hatte sich
ihm schon in der Bar vorgestellt, ebenso seinen Kollegen Steve
Gomez.
Seamus hatte zwar erwartet, daß man ihn über seine Rechte
und Pflichten aufklären würde; aber es gab ihm doch einen
Schock, als er sie vorgelesen bekam und O’Brien ihm eine gedruckte Kopie hinhielt und verlangte, daß er sie las.
Er nickte nur, als er gefragt wurde, ob er alles verstanden habe. Ja. Ob er einen Anwalt zuziehen wolle. Nein. Ob er wisse,
daß er sich jederzeit weigern könne, weitere Fragen zu beantworten. Ja. Ob er wisse, daß alles, was er sage, gegen ihn verwendet werden könne.
»Ja«, flüsterte er.
O’Briens Benehmen veränderte sich. Er wurde eine Spur liebenswürdiger, sein Ton ungezwungener. »Mr. Lambston, es ist
meine Pflicht, Sie darauf hinzuweisen, daß Sie als Tatverdächtiger im Falle des Todes Ihrer früheren Frau, Ethel Lambston, in
Frage kommen.«
Ethel tot. Keine Alimentenzahlungen mehr. Kein Würgegriff
mehr für ihn und Ruth und die Mädchen. Oder war er jetzt erst
recht im Würgegriff? Im Geist sah er erneut ihre Hände, die sich
an ihn klammerten, sah ihren Blick, als sie nach hinten fiel, die
Art, wie sie sich aufgerappelt und nach dem Brieföffner gegriffen
hatte. Er spürte die Feuchtigkeit ihres Blutes auf seinen Händen.
Was hatte der Inspektor gerade im freundlichen Unterhaltungston zu ihm gesagt? »Mr. Lambston, Sie hatten einen Streit mit
Ihrer geschiedenen Frau. Sie machte Sie
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