Clark Mary Higgins
tun«, sagte Myles in
ungezwungenem Ton. »Vielleicht bringe ich sie selber her.«
Das Taxi setzte Jack als ersten bei seiner Wohnung ab. Als er
sich verabschiedete, fragte er: »Ich möchte nicht aufdringlich
erscheinen, aber hätten Sie etwas dagegen, wenn ich morgen mit
in Ethels Wohnung käme?«
Myles zog die Augenbrauen hoch. »Nein, wenn Sie versprechen, im Hintergrund zu bleiben und den Mund zu halten.«
»Myles!«
Jack lachte. »Ihr Vater hat völlig recht, Neeve. Ich akzeptiere
die Bedingungen.«
Als das Taxi vor dem »Schwab House« hielt, öffnete der Portier die Wagentür, damit Neeve aussteigen konnte, während Myles noch auf das Wechselgeld des Chauffeurs wartete. Dann trat
er zurück und stellte sich wieder vor die Tür der Eingangshalle.
Das Wetter hatte aufgeklart, und der nächtliche Himmel war
voller Sterne. Neeve entfernte sich von dem Taxi. Im Gehen hob
sie den Kopf und bewunderte die Milchstraße.
Auf der anderen Straßenseite hockte Denny Adler an eine
Hauswand gelehnt, neben sich eine Weinflasche. Durch halbgeschlossene Augen beobachtete er, wie Neeve aus dem Taxi
stieg. Er tat einen heftigen Atemzug. Jetzt könnte er direkt auf
sie zielen und schon verschwunden sein, ehe irgend jemand ihn
bemerkte. Denny griff in die Tasche der ausgeleierten Strickjakke, die er heute abend anhatte.
Jetzt.
Sein Finger fand den Abzug. Er wollte gerade den Revolver
aus der Tasche ziehen, als neben ihm die Tür aufging. Eine ältere Frau trat aus dem Haus mit einem kleinen Pudel, der ungeduldig an seiner Leine zog. Der Hund stürzte auf Denny zu.
»Sie müssen keine Angst vor Schätzchen haben«, sagte die
Frau. »Sie ist ein ganz liebes Tierchen.«
Wie Lava aus einem Vulkan quoll die Wut in Denny hoch, als
er Myles Kearney aus dem Taxi steigen und hinter Neeve ins
»Schwab House« gehen sah. Seine Finger streckten sich nach
dem Hals des Pudels aus, aber es gelang ihm, sich zu beherrschen, und er ließ die Hand auf den Gehsteig sinken.
»Schätzchen läßt sich gerne streicheln«, ermunterte ihn die ältere Frau. »Auch von Fremden.« Sie ließ einen Vierteldollar auf
Dennys Schoß fallen. »Das hilft Ihnen hoffentlich ein bißchen.«
10
Am Sonntag morgen rief Inspektor O’Brien an und fragte nach
Neeve.
»Weshalb wollen Sie sie sprechen?« fragte Myles kurz angebunden.
»Wir möchten uns mit der Reinmachefrau unterhalten, die
letzte Woche in der Wohnung von Ethel Lambston war. Hat Ihre
Tochter vielleicht die Telefonnummer?«
»Ach so.« Myles wußte selber nicht, warum er sich sofort erleichtert fühlte. »Das ist einfach. Ich werde Neeve fragen.«
Fünf Minuten später rief Tse-Tse an. »Neeve, ich soll als
Zeugin vernommen werden!« Tse-Tse schien ganz aufgeregt.
»Aber darf ich die Inspektoren bitten, mich um halb zwei bei
euch in der Wohnung zu treffen? Ich bin noch nie von der Polizei befragt worden. Es wäre mir lieber, wenn du und dein Vater
dabeisein könnten.« Dann senkte sie die Stimme. »Die meinen
doch nicht etwa, daß ich sie umgebracht habe?«
Neeve mußte lächeln. »Natürlich nicht, Tse-Tse. Keine Angst.
Vater und ich gehen um zwölf zur Messe in die St.-PaulsKirche. Halb zwei paßt uns gut.«
»Soll ich ihnen was von dem Neffen sagen, der mir nicht
geheuer ist? Daß er das Geld genommen und nachher wieder
zurückgelegt hat? Und daß Ethel gedroht hatte, ihn zu enterben?«
Neeve fuhr der Schrecken in die Glieder. »Tse-Tse, du hast
gesagt, daß Ethel wütend auf ihn war, aber du hast nichts davon
gesagt, daß sie gedroht hat, ihn zu enterben. Selbstverständlich
mußt du der Polizei das erzählen.«
Als sie den Hörer auflegte, sah Myles sie fragend an. »Um
was ging es?«
Sie erzählte es ihm. Myles pfiff durch die Zähne.
Tse-Tse kam zur abgemachten Zeit. Sie hatte das Haar zu einem
schlichten Knoten aufgesteckt und sich, bis auf die falschen
Wimpern, nur sehr wenig zurechtgemacht. Sie trug ein altmodisches Kleid und flache Schuhe. »Das ist das Kostüm, in dem ich
eine Haushälterin gespielt habe, die angeklagt war, ihren Herrn
vergiftet zu haben.«
Die Inspektoren O’Brien und Gomez erschienen ein paar Minuten später. So wie sie Myles begrüßten, dachte Neeve, hätte
niemand vermutet, daß er nicht mehr die Nummer eins im Polizeihauptquartier war.
Als Tse-Tse vorgestellt wurde, blickte O’Brien verwirrt drein.
»Douglas Brown hat uns gesagt, die Hausangestellte sei Schwedin.«
Voll ungläubigem Erstaunen hörte er zu, wie Tse-Tse ganz
ernst
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