Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Clemens Gleich

Clemens Gleich

Titel: Clemens Gleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pikmo und Jianna (German Edition)
Vom Netzwerk:
Piratenschatzkiste.
    Magnus Palankin war in gespaltener Laune. Zuerst hatte ihn ein unfassbar schlechtes Gewissen geplagt, weil er so unprofessionell den Wunsch von Laocoon vergessen hatte, dann erfreute ihn die Schnelligkeit der imperialen Zusage, dann graute ihm davor, Laocoon gegenübertreten zu müssen, wenn der ärgerlich wäre, dann wiederum freute er sich darauf, den schrumpeligen Kerl wiederzusehen, der ihm ja hoffentlich wenigstens einen kleinen Hinweis in dieser verzwickten Sache geben würde. Schlussendlich wappnete er sich für das Gespräch wie auf einen Gefechtseinsatz. Es musste jetzt einfach sein, fertig. Er würde sein Bestes geben; sein Bestes musste Laocoon reichen. Der Major grüßte den Techniker kurz, der den Kommraum vorbereitet hatte, und trat sofort ein. Die Illusion der anderen Seite erschien, sah jedoch alles andere als schrumpelig aus. Ein irgendwie besorgt wirkender imperialer Beamter stand dort, der Palankin stark an Herrn Hinterländer erinnerte.
    "Sie haben um Unterredung mit einer Stimme des Ministeriums gebeten", begann die Illusion. "Was ist der Grund, dass es exakt diese sein muss?"
    "Wir haben in dieser Sache schon vorher zusammengearbeitet, es ist auch in seinem Interesse."
    "Das mag richtig sein, bis auf die Wahl der Zeitform. Das Präteritum wäre angebracht. Laocoon ist tot."
    "Was?" Glühendes Eis lief Magnus' Rückenmark hinauf. Hatte seine Nachricht diesen Tod ausgelöst? "Wie ist das passiert?"
    "Er war ein alter Mann. Seine Pflichten waren anstrengend. Er starb nach einem arbeitsreichen Tag und einem ebensolchen Leben."
    "Aber als ich ihn gesehen habe, schien er noch so fit zu sein!", entgegnete Magnus hitzig.
    "Naja, das muss aber schon ein bisschen her sein."
    "Ein bisschen stimmt: es war gestern!" Stille.
    "Herr Palankin, Laocoon ist schon seit Jahren tot. Uns würde interessieren, wen Sie tatsächlich getroffen haben." Nochmal Stille.
    "Mich auch."
    Laocoon stand unter einer Stahlbrücke der imperialen Eisenbahn, die Romalas Slums in einem höhnischen Kontrast überspannte. Das schräg einfallende Mondlicht zeichnete das Gerüst als industrietechnische Tuschezeichnung. Vor Laocoon lag ein Penner. Auf dem Penner lag eine leere Flasche. Auf dem Pennergesicht lag ein rosiges Lächeln. Nach den irritierenden, schlimmen Begegnungen der letzten Zeit mit verrückten blauen Halbtieren und imperialen Beamten war sein Leben heute wieder in gewohnten, guten Bahnen verlaufen, aus einer guten Flasche gelaufen. Unwirsch stieß ihm Laocoon seinen knotigen Stock in die Rippen, bis er sich blinzelnd rührte.
    "He! Aufwachen!", keifte Laocoon ihn an – einfach, um unfreundlich zu sein.
    "Nein, ich war's nicht, Herr Wachtmeister", plapperte der Pennermund auf Autopilot los. Laocoon beendete den Wortstrom mit einem knackenden Stockschlag, gefolgt von Befehlston:
    "Halt die Klappe!" Er zeichnete mit dem Stock in der leeren Nachtluft herum, bis dort eine durchscheinende Gestalt stand. Sie trug die Uniform der Stimmen des Ministeriums. Sie trug außerdem auffällig nach oben stehende blassblonde Haare.
    "Na?", fragte der Mann mit dem Stock. "Kennst du den?"
    "Wer will das wissen?", fragte jemand, von dem der Penner entsetzt feststellte, dass es immer noch sein eigener Autopilot war.
    "Jemand, der dir genausoviel Ärger wie Annehmlichkeiten bringen kann. Also spuck's schon aus, Penner!"
    "Dein Kollege war wenigstens freundlich", sagte der Autopilot. Der wach werdende Penner spannte allerdings rechtzeitig die Bauchmuskeln an für den Schlag in den Magen, der auf diese Trotzreaktion folgte. Laocoon packte ihn an den verlausten Haaren, zog ihn hoch und sagte gefährlich freundlich grinsend:
    "Du hast recht, ich bin ein bisschen unfreundlich. Lass uns was zu essen holen, ich habe da drüben einen Allnachtskiosk mit komischen Würsten gesehen. Die kann ich dir füttern."
    "Ah! Aua! Meine Haare!" Laocoon ließ ihn los und stehen, ging einfach weiter. Bevor sich der Penner zu etwas entscheiden konnte, hörte er einen Bei-Fuß-Pfiff, dem er wie ein Hund rennend Folge leistete, weil außer den direkt gewalttätigen Akten des Fremden etwas unterschwellig Bedrohliches von ihm ausging, das lange trainierte Alarmsysteme auslöste. Eine Ecke weiter brannte ein Feuer unter verdächtig aussehenden Würsten. Laocoon bestellte zwei davon, als hinter ihm der Penner herantrat.
    "Hau ab!", schrie ihn der Wurstbrater an, eine trotz der kühlen Nacht schwitzende Person in schmierigen, gestreiften

Weitere Kostenlose Bücher