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Clemens Gleich

Clemens Gleich

Titel: Clemens Gleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pikmo und Jianna (German Edition)
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begleitet hatte, und wie es trotz allem zu einem mysteriösen, verhängnisvollen, schicksalsträchtigen ... Salvin hielt kurz über der Tastatur seiner Briefdämonenschreibmaschine inne, um weitere Adjektiv-Eingebungen abzuwarten, schrieb dann jedoch in Ermangelung solcher einfach weiter 'Zwischenfall', wie es zu diesem Zwischenfall kam, bei dem alle Felligen aufwachten und aus ihren Tanks entkamen. Der Journalist lehnte sich zufrieden zurück. Ein guter Text. Ein sehr guter Text. Er enthielt sogar einen gehörigen Schuss Wahrheit, wie Salvin fand (99,9 Prozent Wahrheit, wie er immer sagte), wobei sich dieser Anteil auf dem Weg durch die Redaktion des Täglichen Echos je nach Nachrichtengroßwetterlage noch ändern konnte. Schwungvoll riss er den Briefdämon aus der ratternd protestierenden Maschine. Bevor er ihn losschickte, wischte er als demonstrative Geste seinen Hintern damit ab. "Missbrauch imperialer Dokumente", ha! Als sich der Briefdämon auf den Weg gemacht hatte, widmete er sich zufrieden der nächsten Dosis Drogen.
    Ein Stück weiter im Zug saß auch Leonard Letterngießer an einem Artikel zum selben Thema. Wie er das sah, ergab sich hier nebenbei eine Gelegenheit, Salvin eine kühle Rache zu servieren, eine Rache für, für, für ... also mindestens für seine blödsinnigen Behauptungen, er könne keine Geschichten schreiben. Er würde jetzt eine Geschichte schreiben, die Salvin Huntgeburth beim Publikum der tapo, beim intelligenteren Publikum der tapo, intelligenter als dieser Echo-Mob, vollends bloßstellen würde. Könnte auch einen gehörigen Auflagenschub bringen, das Echo mal so richtig in die Weichteile zu treten. Leonard wurde ganz warm bei diesem Gedanken.
    Andere Gedanken kühlten ihn jedoch wieder ab. Wie man die Situation auch drehen mochte, es sah von überall so aus, als stecke hinter alledem einiges, nur verliefen sämtliche Fäden im Dunkeln. Woher hatte Salvin eine "imperiale Autorisation", wie es der Major ausgedrückt hatte? Wer hätte etwas davon, sowas ausgerechnet dieser unmöglichen Persona non grata zu geben? Dieser Jemand musste doch gewusst haben, dass Salvin mit Vorliebe tendenziöse Reißer für eine Menschenmasse produzierte, die er damit in generelle, überreizte Alarmbereitschaft versetzte. Seit das Echo mit Artikeln über den Siebenring-Fall angefangen hatte, war der Verkauf von Felligen praktisch zum Erliegen gekommen. Anderen Zweigen der imperialen Ökonomie hingegen ging es plötzlich prächtig, wenigstens auf dem Papier. Der private Teil der Rüstungsindustrie erblühte regelrecht, und nur der Kaiser wusste, was sich gerade in den Tiefen der imperialen Kriegsmaschinerie tat. Oder, um den Gedanken auf seinen Kern einzukochen: Wer würde sich dazu herablassen, jemanden wie Salvin zu benutzen, um das Volk der Echo-Leser aufzuwiegeln?
    Shardid stand in der dunklen Zelle eines Kommraums.
    "Laufen die Vorbereitungen wie geplant?", fragte eine Stimme aus dem Off.
    "Ja", sagte Shardid. "Nur dieser Klon wird Probleme machen."
    "Er muss sterben."
    "Jeder muss das. Fragt sich nur wann und wie." Die körperlose Stimme ignorierte diesen Anfall von Populärphilosophie.
    "Ist das Schlürfergewehr für Gramp präpariert?", fragte sie.
    "Natürlich. Aber ich befürchte, er traut mir nicht mehr."
    "Behalten Sie das im Auge. In Ihrem Zug liegt ein Arsenal für Sie bereit. Sieht so aus, als könnten Sie das gebrauchen."
    "Ja, es sieht leider wirklich danach aus", seufzte Shardid. "Mir wäre der subtilere Ansatz ja lieber gewesen."
    Wenn "unsubtil" eine Verkörperung hätte, dann dieses fette Subjekt, das da vor ihm auf einem Thron aus Stein oder vorgeschichtlicher Knochen saß, dachte Laocoon. Es hatte fast schwarze Haut, kleine, kifferrote Schweinsaugen und große, geschwungene Hörner, die asymmetrisch verschlungen gewachsen waren, als würden sie miteinander um den Luftraum über dem glatzigen Kopf streiten. Unter diesem Kopf hing ein Körper, der auf diese besondere Art fett war, die klarmacht, dass hinter dem Speck eine mindestens ebenso dicke Schicht Muskelmasse sitzt. Auf den Schultern saßen grotesk kleine, ledrige Flügelchen, die niemals die riesige Masse unter ihnen heben konnten. Vielleicht dienten sie zum Luft fächeln, denn das Monster troff derart vor Schweiß, dass es Laocoon an einen Eisberg in einer Sauna denken ließ. Von seinem Thron aus schweifte der Blick des Monsters die ihm untergebene Halle, um dann abschätzig auf dem kleinen Laocoon vor ihm, unter ihm

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