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Clemens Gleich

Clemens Gleich

Titel: Clemens Gleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pikmo und Jianna (German Edition)
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man passieren lassen, das hatte immer Vorfahrt. Sie war daher völlig perplex, als Pikmo aus dem Gebüsch in den Lichtkegel sprang, damit eine Vollbremsung, ja: fast einen Sturz provozierte, und den fluchenden Fahrer schließlich mit einer Hand aus dem Sitz und der Welt der Wachen gleichzeitig entfernte. Noch bevor das Gefährt in gefährliche Schräglage fiel, klappte er mit dem Fuß dessen Seitenständer aus und befahl rau flüsternd dem Busch hinter dem Jianna immer noch saß:
    "Aufsitzen!"
    "Wo denn?", fragte sie zurück. Statt einer Antwort nahm Pikmo auf dem Motorzweirad Platz, knüllte den schlaffen Körper zwischen seinen Bauch und das kalte Metall der Maschine und zog dann Jianna hinter sich auf das knapp bemessene Polsterbrötchen.
    "Festhalten!", ermahnte er, bevor er dem Fahrzeug die Sporen gab. Als der Motor die drei Passagiere laut aufheulend nach vorne katapultierte, setzte sich Pikmo die Schutzbrille des vormaligen Fahrers ins Gesicht und hüllte seinen Umhang über den Unglücklichen, was ihm von Weitem das klischeesynchrone Aussehen eines fettleibigen Motor-Fans ohne ästhetisches Selbstempfinden gab. Motorisiert und auf einem gut ausgebauten Verkehrsweg machten die Flüchtigen in kurzer Zeit viel Weg gut. Jianna war dennoch froh, als Pikmo endlich von der Hauptstraße auf verwinkelte Nebenstrecken abbog, die bald so schmal wurden, dass sie sich fragte, ob hier überhaupt noch Zweispurfahrzeuge verkehren durften oder konnten. Der omnipräsente, feine rote Staub lag in einer dicken Schicht auf der festgebackenen roten Erde wie Pulverschnee auf einem Gletscher. Innerhalb kürzester Zeit war das Motorrad samt seiner Besatzung durchgehend monochrom mattrot eingestaubt und das Scheinwerferlicht schaffte es kaum noch, dem Weg vor ihnen auch nur eine Radlänge optischer Definition zu geben. Pikmo feuerte das Gefährt dennoch weiterhin mit voller Motorwucht durch den trockenen Buschwald, über weite Ebenen, auf denen es nur geradeaus ging und kurvige Hügellandschaften, auf die der Mond schien. Krachend, kreischend beklagte sich das gequälte Metall der Stoßdämpfer. Für Jianna vergingen Ewigkeiten in schierer Todesangst, die sich mit Momenten mentaler Erlösung ablösten, in denen ihr nur umso klarer wurde, wie ramponiert und steif verkrampft ihr Körper war. Sie hatte schon jegliche Hoffnung aufgegeben, dort jemals lebendig herunterzukommen, sich damit abgefunden, jeden Moment so versteift auf den harten Boden aufzuschlagen, dass sie einfach zersplittern würde, als das Fahrzeug endlich hitzeknisternd zum Stillstand kam. Jianna öffnete die Augen. Es war schon hell. Sie konnte ihre panikverkrampften Finger kaum aus Pikmos Umhang lösen, gab sich aber alle Mühe, nonchalant die steifen Beine vom Heck zu schwingen und unbeeindruckt zu wirken. Pikmo setzte den bewusstlosen Besitzer sanft auf den Fahrersitz, ergriff Jiannas Hand und zog sie hinter sich her in den Frühnebel. Die junge Frau hatte weder Entscheidungszeit noch eine Wahl, also folgte sie einfach blind. In ihrem Gehirn waren allerdings gerade wieder Kapazitäten frei, die ihr nachdrücklich einen Felligen unheimlich machten, der offenbar alles andere als hilflos war. Vielleicht, so die nagenden Zweifel, waren Pikmos Defekte doch nicht ausschließlich positiv für sie. Wenigstens hatte er niemanden umgebracht – noch nicht.
    Ein schummrig erleuchteter Meditationsraum, dessen weit entfernte Wände nur in der Finsternis außerhalb des Kerzenscheins vermutet werden können. Der Boden voller okkulter Symbole, die sich im Takt rhythmischen Gemurmels winden wie ein lebendiger Schwarmorganismus. Komplexe Gerätschaften unerkennbaren Zwecks. Im Lotossitz verweilende kleine Runden glatzköpfiger Seher.
    Shardid Rooth materialisierte sich in einer der Runden. Einer der Seher sprach ihn unmittelbar schroff an, ohne aufzusehen:
    "Dir ist bewusst, dass es einen Krieg geben könnte?"
    "Ja", antwortete Shardid ausdruckslos. Er verweigerte sich jeglicher Form von sekundärer Kommunikation wie Mimik oder Sprachmodulation gegenüber Sehern, weil er ihr immer wissendes Grinsen nicht ertragen konnte, das nach seiner Erfahrung öfter auftrat, wenn er sein Pokerface fallen ließ.
    "Wir haben gesehen, dass du Gramp in Bewegung gesetzt hast", behauptete ein anderer der Runde.
    "Er wird vielleicht nicht reichen", sagte ein Dritter.
    "Gibt es neue Probleme?", fragte Shardid nüchtern. Ein vierter Seher deutete auf einige Symbolschlangen, die sich hypnotisch vor ihm über

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