Clemens Gleich
den unnötigen Tod eines seiner Männer direkt zu verantworten. Doch er schob die unangenehm aufknospenden Erinnerungen beiseite und konzentrierte sich wieder auf die Kreatur, die ihm gegenüberstand. Es gefiel ihm überhaupt nichts an ihr: Sie war hellbraun, relativ unscheinbar und hatte große Ohrlöffel auf dem Kopf. Gramp konnte sich nicht vorstellen, wieso jemand für so etwas Geld ausgab, aber er wäre auch der Erste, der eine eher beschränkte Phantasie zugeben würde. Um eben dieser Vorstellungskraft ein wenig mit Daten auf die Sprünge zu helfen, war der Hauptmann hier im Biolabor und unterhielt sich mit einem Techniker.
"Ist es schon mal passiert, dass sich ein Felliger verliebt hat?", fragte er geradeheraus das Naheliegendste, um es schnellstmöglich ausschließen zu können.
"Nicht, dass ich wüsste", antwortete der Techniker sofort. "Die Prägung..."
"Und untereinander?", unterbrach ihn Gramp.
"Auch nicht untereinander. Außerdem sind sie nicht fortpflanzungsfähig. Jeder Fellige wird hier gebaut und konditioniert. Man muss sie sich eher als hochkomplexe Maschinen vorstellen, weniger wie normale Lebewesen." Er sah Gramp an, ob er ein Problem mit dieser Aussage hatte, fand dafür keine Anzeichen, führte allerdings trotzdem weiter aus: "Das ist gar nicht abwertend gemeint, es erleichtert nur das Verständnis ungemein. Das Grundmaterial ist eine biologische Lebensform, das stimmt, aber durch die besondere Art der Konditionierung und die Verhaltensbegrenzungen in verschiedene Richtungen durch Limiter, die ja auch ein Sicherheitsnetz darstellen, ist das Verhalten von Felligen zwar immer noch komplex, aber weitgehend deterministisch."
"Hm", machte Gramp nur. "Und was sind diese Limiter?"
"Das sind fortschrittliche Äthermaschinen, also Energiemechanismen, die Fähigkeiten des biologischen Grundmaterials in bestimmte Richtungen begrenzen, je nach Pflichtenheft."
"Hm."
"Jedenfalls gibt es keine wilden oder selbstständigen Exemplare."
"Hm", brummte Gramp wieder. "Wie erklären Sie sich dann das?" Er drückte dem Techniker Pikmos Akte zur Kenntnisnahme vor die Brust.
"Das muss ein Irrtum sein", sagte er schließlich. Gramp war sich da nicht so sicher. Das Ministerium hatte ihn nie wirklich schlecht behandelt, doch hatten die offiziellen Stellen ihm auch nie sonderlich viele Informationen gegeben, selbst, wenn er sie für einen Fall explizit angefordert hatte. Er war sich sicher, dass auch diesmal beileibe nicht alles gesagt war, was er wissen sollte. Nun, daran konnte er ebensowenig ändern wie am Wetter, schloss er seinen Gedankengang, verließ das Biolabor, nahm sich zwei Männer und zwei Pferde und fing mit klassischer zu-Fuß-Ermittlungsarbeit an.
Sein erster Weg führte ihn zum Wellenkämmer, wo er sich lustlos an der Rezeption den Schlüssel besorgte und dann routinemäßig das Zimmer durchsuchte. Der Manager folgte ihnen sichtlich ungehalten, da ihm jemand gesagt hatte, das Zimmer nicht zu verändern, dann aber bis jetzt niemand von der Wache gekommen war, um Spuren zu sichern. Gramp beruhigte ihn, indem er nicht ohne eine gewisse Befriedigung die verstrichene Zeit aus seinem neuen Kreditrahmen beglich und den Mann damit zum Schweigen, ja sogar zu freundlicher Kooperation brachte.
Das Zimmer sah genau so aus, wie man es sich vorstellen würde, was Gramp augenblicklich etwas aufweckte. Ein Tatort sah nie exakt so aus, wie man ihn sich vorstellen würde, außer, jemand präparierte ihn. Gramp stand im Eingang und bedeutete seinen Wächtern mit leicht abgestreckten Armen, hinter ihm zu bleiben. Er wollte einen unmittelbaren Eindruck gewinnen. Das Bett war verschoben, aber bis auf Sitzspuren unbenutzt. Jemand hatte offenbar eine der Nachttischlampen aus der Holzvertäfelung gerissen und sie an den oberen Türbalken geworfen. Der Schreibtisch war leergefegt, auf dem Fußboden zum Fenster hin lagen eine teure Weinflasche samt Öffner, das Handteil der Haussprechanlage und eine Briefdämonen schreibmaschine mit einigen herausgebrochenen Tasten. Er warf einen Blick ins Bad, das offenbar unangetastet war. Nicht einmal Kalkflecken konnte Gramp im Waschbecken ausmachen. "Verwüstet" schien dem Hauptmann ziemlich übertrieben, aber so waren diese Etepetetefuzzis eben. Das einzig wirklich Beeindruckende waren zwei aus der Wand gerissene Holzplatten der Vertäfelung. Die Verformungen des Holzes an den Rändern und die Bruchstellen ließen es fast aussehen, als habe jemand sie im Vorbeigehen mit einer Hand
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