Clovis Dardentor
Herr Dardentor, und wenn ich Dich brauchte, hätte ich Dich holen lassen… unseliger Schlummerstörenfried!«
In Patrice’s Gesicht zuckte es leicht und er sagte in ernstem Tone:
»Ich ziehe es vor, den Herrn nicht zu verstehen, wenn der Herr seinen unfreundlichen Gedanken in solchen Worten Ausdruck giebt. Uebrigens möcht’ ich den Herrn darauf hinweisen, daß die niedrige runde Mütze, womit er sich zu bedecken beliebte, mir für einen Passagier erster Cajüte nicht passend erscheint.«
In der That sah die, Clovis Dardentor im Nacken sitzende, baskische Kappe nicht grade vornehm aus.
»Meine Mütze gefällt Dir also nicht, Patrice?…
– So wenig, wie die wollne Joppe, in die sich der Herr wohl in der Vorstellung gesteckt hat, daß man auf einer Seereise auch wie ein Seemann aussehen müsse.
– Da hast Du völlig recht!
– Wäre ich von dem Herrn eingelassen worden, so würd’ ich ihn gewiß gehindert haben, sich in dieser Weise zu kleiden!
– Du würdest mich gehindert haben, Patrice?…
– Ich bin nicht gewöhnt, dem Herrn meine Meinung vorzuenthalten, auch wenn ihn das erzürnen sollte, und was ich in Perpignan, im Hause des Herrn thue, das kann ich hier an Bord eines Dampfers auch nicht lassen.
– Beliebt es Ihnen, nun fertig zu sein, Herr Patrice?…
– Trotz der Höflichkeit dieses Ausdrucks muß ich gestehen, fuhr Patrice fort, noch nicht alles gesagt zu haben, was mir auf dem Herzen liegt, und zwar in erster Linie, daß der Herr gestern bei Tafel hätte mehr auf sich achten sollen….
– Auf mich achten… bezüglich des Essens?…
– Und bezüglich des Poculierens, das etwas übers Maß hinausging…. Nach dem, was mir der Restaurateur, ein Mann
comme il faut
, erzählt hat….
– Was hat Ihnen denn dieser Mann
comme il faut
hinterbracht? fragte Clovis Dardentor, der Patrice nicht mehr duzte, wenn es in ihm bald zum Ueberkochen kam.
– Daß der Herrsuchen…suchen gesprochen hat, über die man meiner Meinung nach besser schweigt, wenn einem die Personen, mit denen man spricht, unbekannt sind. Das ist nicht nur eine Regel der Klugheit, sondern auch des Selbstgefühls….
– Herr Patrice?…
– Was wünscht der Herr?…
– Sind Sie dahin gegangen. wohin ich Sie schickte, als Sie heute früh so voreilig tölpelhaft an meine Thüre donnerten?…
– Ich erinnere mich dessen nicht….
– So will ich Ihr Gedächtniß auffrischen!… Zum Teufel… zum Teufel habe ich Sie, mit aller Rücksicht, die Ihnen zukam, gehen heißen. Ich erlaube mir auch, Sie noch einmal dahin zu schicken, und da bleiben Sie gefälligst, bis ich nach Ihnen klingle!«
Patrice kniff halb die Augen zu und spitzte den Mund; dann machte er auf der Stelle Kehrt und begab sich nach dem Vorderdeck, als Herr Désirandelle grade auf dem Oberdeck erschien.
»Ah, mein vortrefflicher Freund!« rief Clovis Dardentor, als er diesen bemerkte.
Herr Désirandelle hatte sich hier hinauf gewagt, um etwas sauerstoffreichere Luft als die der Cabinen zu athmen.
»Nun, mein lieber Désirandelle, nahm der Perpignaneser das Wort, wie ist’s Ihnen denn seit gestern gegangen?
– Eigentlich gar nicht.
– Nur Muth, alter Freund, nur Muth! Sie sehen zwar noch so bleich aus, wie ein frisch gewaschnes Oberhemd. das Auge ist gläsern. die Lippen sind bläulich… doch das thut nichts… die Ueberfahrt wird schon…
– Schlecht ablaufen, Dardentor!
– Sie sind ein Schwarzseher erster Sorte!… Den Kopf hoch!
Sursum corda
, wie man an den hohen katholischen Festtagen singt!«
Wahrlich, ein glückliches Citat angesichts eines Mannes, dem sich, wie man sagt, das Herz im Leibe umdreht!
»Binnen wenigen Stunden, fuhr Clovis Dardentor fort, können Sie den Fuß übrigens auf festes Land setzen, denn der »Argeles« wird in Palma für längere Zeit anlegen…
– Und doch nur einen halben Tag liegen bleiben, seufzte Herr Désirandelle. Wenn dann der Abend kommt, muß man sich immer wieder auf diese abscheuliche Schaukel setzen!… Ach, wenn sich’s nicht um Agathokles’ Zukunft handelte!…
– Gewiß, Désirandelle, das verdiente schon diese kleine Unbequemlichkeit. O, mein alter Freund, mir ist’s, als seh’ ich da unten schon das reizende Kind am algerischen Ufer mit der Lampe in der Hand wie Hero auf Leander, ich wollte sagen, auf Agathokles wartend. Doch nein, das Gleichniß hinkt, da der unglückliche Leander der Sage nach unterwegs ertrank. Werden Sie denn heute mit uns frühstücken?…
– Ach, Dardentor, bei
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