Club Dead
Uhr morgens - so gut wie niemand auf der Raststätte. Ich entdeckte nur noch einen ziemlich zerbeulten alten Toyota Pick-up, der dicht neben den Zapfsäulen geparkt stand. Das war der einzige Ort auf der Raststätte, der im Schatten lag. Zwei Männer, schwer in eine hitzige Debatte vertieft, hockten in der Fahrerkabine des Pick-up.
„Eigentlich ist es doch wirklich zu kalt, um hier draußen in einem Pick-up zu sitzen", sagte die Blondine mit den dunklen Haaransätzen am Scheitel, als wir zusammen durch die Glastür den Laden der Raststätte betraten. Bei diesen Worten zog sie die Schultern hoch und tat so, als klapperten ihr vor Kälte die Zähne.
„Sollte man meinen", kommentierte ich. Ich hatte den hinteren Gang des Ladens bereits zur Hälfte durchquert, als der Angestellte, der auf einer erhöhten Plattform hinter einem hohen Tresen an der Kasse saß, seinen Blick von seinem kleinen Fernseher löste, um sich der Blondine zu widmen, die ihre Tankfüllung bezahlen wollte.
Die Tür zur Toilette schloß nur schwer, denn die Türschwelle war aufgequollen. Irgendwann einmal hatte es in den Waschräumen wohl eine ziemliche Überschwemmung gegeben. Ich glaube sogar, die Tür schloß gar nicht ganz hinter mir, denn ich hatte es eilig und achtete nicht weiter darauf, sie ganz ranzuziehen. Die Tür zur Klokabine jedoch schloß nicht nur, sie ließ sich sogar verriegeln, und das Klo selbst war recht sauber. Ich hatte es nicht besonders eilig, zurück zum Auto und somit zum schweigsamen Eric zu gelangen; also ließ ich mir Zeit. Über dem Waschbecken hing ein Spiegel. Ich warf einen Blick hinein, geistig bereits darauf vorbereitet, welch schrecklicher Anblick sich mir bieten würde, und es kam genau, wie ich gedacht hatte: Mein Spiegelbild wurde all meinen Erwartungen gerecht; ich sah einfach beschissen aus.
Die Wunde an meinem Hals wirkte mit ihren zerfransten Rändern wirklich widerlich - als hätte mich ein Hund an der Gurgel erwischt. Ich säuberte sie rasch mit etwas Seife und nassen Papiertüchern, während ich über das Vampirblut nachdachte, das ich zu mir genommen hatte. Hatte mir dieses Blut sozusagen ein bestimmtes Quantum an Stärke und Extragesundheit zukommen lassen, das irgendwann einmal wieder verbraucht sein würde? Oder wirkte das Blut über einen bestimmten Zeitraum hinweg wie eine Kapsel, die sich mit der Zeit auflöste und ihre Wirkstoffe freisetzte? Oder wie hatte ich mir die Wirkungsweise sonst vorzustellen? Nachdem ich Bills Blut getrunken hatte, war es mir mehrere Monate lang einfach phantastisch gegangen.
Ich hatte weder Kamm noch Bürste noch sonst etwas dabei, sah aber aus wie etwas, was die Katze von draußen hereingeschleppt hat. Als ich versuchte, mein Haar mit allen zehn Fingern zu bändigen, machte ich die Sache damit nur noch schlimmer. Resigniert beließ ich es dabei, mir Gesicht und Hals zu waschen; dann trat ich wieder hinaus in den grell beleuchteten Laden. Nur ganz am Rande bekam ich mit, daß die Toilettentür sich auch diesmal nicht richtig hinter mir schloß, sondern erneut auf der aufgequollenen Schwelle hängenblieb, ohne dabei das geringste Geräusch zu machen. Ich trat hinter dem letzten langen Gang hervor, dessen Regale sich unter all den Lebensmitteln förmlich bogen, unter all den CornNuts und Lays Chips und Moon Pies und Scotch Snuff und Prince Albert in Dosen ...
Dann gab es da noch, bei der Plattform des Kassierers, direkt an der Tür zu seiner kleinen Kabine, zwei bewaffnete Räuber.
Heilige Scheiße! Warum ziehen die den armen Kassierern auf diesen Raststätten nachts nicht gleich ein T-Shirt mit Zielscheibe drauf an? Das war mein erster Gedanke, als ich die beiden sah, und er schwebte ziemlich losgelöst da im Raum, gar nicht so, als bezöge er sich auf eine reale Situation, sondern als sähe ich mir gerade einen Film an, in dem zwei bewaffnete Banditen den Laden auf einer Autobahnraststätte überfallen. Dann kehrte ich mit einem Schlag wieder ins Hier und Jetzt zurück - das angespannte Gesicht des Kassierers hatte mich wieder zur Besinnung kommen lassen. Er war so schrecklich jung, dieser Kassierer, ein magerer, pickliger Teenager, und er sah sich mit zwei riesigen Typen konfrontiert, die beide eine Pistole in der Hand hielten. Der Junge hatte die Hände hochgehoben und er war so wütend, wie man nur sein konnte. Ich hätte ja gedacht, in einer solchen Situation bricht man zusammen und fleht um sein Leben oder stottert irgend etwas Unverständliches vor sich
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