Club Dead
mich schon zu sehr daran gewöhnt hatte, andere Leute meine Probleme regeln zu lassen.
Einen kurzen Moment lang erwog ich, den Wer zu verschrecken, indem ich seine Gedanken las. Das wäre leicht gewesen - dafür, daß er ein Wer war, stand sein Kopf weit offen. Aber nicht nur waren seine Gedanken langweilig und boten wenig Unerwartetes (nämlich Begierde und Aggression) - wenn seine Gang damit beauftragt war, nach Bills Freundin zu suchen und wenn sie wußten, daß diese Freundin Bardame und Telepathin war und wenn sie dann auf eine Telepathin trafen ...
„Ich will wirklich nicht an Ihren Tisch kommen", erwiderte ich lediglich. „Lassen Sie mich in Ruhe." Mit diesen Worten glitt ich vom Barhocker, um nicht länger in einer Position gefangen zu sein, die mir wenig Bewegungsspielraum bot.
„Da hockst du hier ohne Mann, und wir sind richtige Männer, Schatz!" Mit der freien Hand griff sich der Wer in den Schritt. Himmel! Welch ein Charme! Das machte mich ja richtig heiß. „Wir sorgen schon dafür, daß du es gut hast."
„Sie könnten nicht dafür sorgen, daß ich es gut habe und wenn Sie der Weihnachtsmann persönlich wären!" spuckte ich und trat dem Mann mit voller Wucht auf den Fuß. Das hätte unter Umständen ein wirkungsvoller Schachzug sein können, hätte der Mann nicht Motorradstiefel getragen. Wie die Dinge lagen, kostete es mich lediglich um ein Haar den Absatz meines einen Schuhs. Im stillen verfluchte ich meine künstlichen Nägel, die es mir erschwerten, die Fäuste zu ballen. Ich wollte ihn nämlich mit der Faust auf die Nase hauen. Ein Schlag auf die Nase tut ziemlich weh und würde ihn auf jeden Fall dazu bringen, mich loszulassen.
Der Mann zischte mich an, als mein Schuh seinen Fuß traf, lockerte seinen Griff aber in keiner Weise, sondern packte mich nun auch mit der anderen Hand bei der nackten Schulter, wobei sich seine Finger tief in mein Fleisch gruben.
In der Hoffnung, die Angelegenheit ohne allzu großes Aufsehen bereinigen zu können, hatte ich mich bis dahin ganz ruhig verhalten. Aber nun war der Punkt überschritten, wo wir uns gütlich hätten einigen können. „Loslassen!" schrie ich also und unternahm den heldenhaften Versuch, dem Mann mein Knie in die Eier zu rammen. Dessen Oberschenkel waren nur leider ziemlich dick, und er stand mit geschlossenen Beinen; da war es schwer, richtig zu zielen. Aber immerhin zuckte er zusammen, und wenn seine Nägel mir auch die Schulter zerkratzten, ließ er doch los.
Das mochte teilweise auch daran liegen, daß ihn Alcide von hinten am Kragen gepackt hatte. Dann trat auch Mr. Hob dazwischen, gerade rechtzeitig, denn nun hatten sich die Kumpel des Mannes in Bewegung gesetzt und eilten ihrem Freund zur Hilfe. Scheinbar war der Kobold, der uns eingelassen hatte, auch als Rausschmeißer tätig. Mr. Hob, allem Anschein nach ein kleiner, zierlicher Mann, hatte keinerlei Schwierigkeiten, dem Rocker die Arme um die Taille zu schlingen und ihn mühelos hochzuheben. Der Wer fing daraufhin an zu schreien, und im Lokal stank es plötzlich penetrant nach verbranntem Fleisch. Die klapperdürre Barfrau schaltete einen Hochleistungsventilator ein, der sogleich ganze Arbeit leistete. Die Schreie des Rockers konnten wir aber dennoch alle gut hören: Sie erklangen nun in einem kleinen Flur, den ich vorher gar nicht wahrgenommen hatte. Anscheinend führte er zur Rückseite des Hauses. Nun ertönten ein Poltern, ein Aufschrei und ein Knall - offenbar war die Hintertür der Bar geöffnet und der Übeltäter auf die Straße befördert worden.
Alcide wirbelte herum, um sich den Freunden des Rockers zu stellen. Am ganzen Leibe zitternd stand ich direkt hinter ihm. Die Wunden, die die Nägel des Rockers auf meiner Schulter hinterlassen hatten, bluteten und schrien nach Neosporin, einem Heilmittel, mit dem meine Großmutter all meine Verletzungen zu verarzten pflegte, nachdem ich mich geweigert hatte, weiterhin ihr geliebtes Campho-Phenique zu benutzen. Aber erst einmal mußte jeglicher Gedanke an Erste-Hilfe-Maßnahmen hintan gestellt werden: Wie es aussah, stand uns eine zünftige Schlägerei bevor. Auf der Suche nach einer Waffe sah ich mich hektisch nach allen Seiten um, und mein Blick fiel auf einen Baseballschläger, den die Barfrau, die die ganze Situation aufmerksam im Blick hatte, wohl unter ihrem Tisch hervorgezogen und auf den Tresen gelegt hatte. Ich schnappte mir den Schläger, baute mich neben Alcide auf, brachte mich und meine Waffe in Stellung und
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