Club Dead
der Pick-up schon draußen vor der Tür. Der Bürgersteig wirkte nicht weniger bedrohlich als bei unserer Ankunft. Ich fragte mich, wie all diese Effekte wohl erzielt werden mochten, war aber zu deprimiert, meinen Begleiter danach zu fragen.
„Sie hätten mir Ihren Mantel nicht geben dürfen, Sie frieren sich jetzt doch zu Tode!" sagte ich, als wir ein paar Straßenzüge weit gefahren waren.
„Ich habe immer noch mehr an als Sie", widersprach Alcide.
Selbst ohne Mantel zitterte er lange nicht so sehr wie ich mit. Also kuschelte ich mich in das warme Kleidungsstück und freute mich an dem schönen Seidenfutter, der Wärme und dem leisen Geruch nach Alcide, der davon ausging.
„Ich hätte Sie mit diesen Rabauken im Club nie allein lassen dürfen", sagte er.
„Zur Toilette muß schließlich jeder einmal", hielt ich mild dagegen.
„Ich hätte jemanden bitten müssen, sich neben Sie zu setzen", beharrte Alcide.
„Ich bin erwachsen, Alcide. Ich brauche niemanden, der ununterbrochen auf mich achtgibt. In meinem Lokal muß ich andauernd mit solchen Sachen fertig werden." Gut, das mochte sich so anhören, als hinge mir dieses Fertigwerden zum Halse heraus, und genau das war auch der Fall. Als Kellnerin bekommt man Männer nun einmal nicht gerade von der besten Seite zu Gesicht, selbst dann nicht, wenn man in einem netten Lokal wie dem Merlottes arbeitet, wo der Chef aufpaßt, daß den Kellnerinnen nichts geschieht und wo die Gäste fast alle aus der Gegend stammen.
„Dann sollten Sie da nicht arbeiten." Alcide klang sehr entschieden.
„Okay, heiraten Sie mich und holen Sie mich weg von alldem", sagte ich mit todernster Miene und erhielt als Antwort einen ängstlichen Seitenblick. Ich grinste ihn an. „Von irgend etwas muß ich schließlich leben, Alcide, und im großen und ganzen gefällt mir mein Job."
Mein Begleiter sah nicht so aus, als würde er mir das abnehmen. Noch dazu wirkte er nachdenklich. Es wurde dringend Zeit für einen Themenwechsel.
„Die haben Bill", sagte ich.
„Das wissen Sie jetzt genau?"
„Ja."
„Warum? Was weiß er? Was muß Edgington so unbedingt erfahren, daß er dafür sogar in Kauf nimmt, einen Krieg anzuzetteln?"
„Das kann ich Ihnen nicht sagen."
„Aber Sie wissen es?"
Ihm jetzt die Wahrheit zu sagen hieße, ihm zu vertrauen. Wenn bekannt wurde, daß ich alles, wovon Bill Kenntnis hatte, ebenfalls wußte, schwebte ich in derselben Gefahr wie mein Liebster, und ich war viel schneller zu brechen.
„Ja", erwiderte ich auf Alcides Frage. „Das weiß ich."
Kapitel 6
Im Fahrstuhl schwiegen wir. Während Alcide die Wohnungstür aufschloß, lehnte ich mich erschöpft gegen die Wand neben der Tür. Ich war völlig durch den Wind, müde, haderte mit mir selbst, und der Zwischenfall mit dem Rocker sowie Debbies Zerstörungswut hatten mich aufgewühlt.
Zudem wurde ich das Gefühl nicht los, mich entschuldigen zu müssen, obgleich ich gar nicht wußte, wofür eigentlich.
„Gute Nacht", sagte ich, als ich dann endlich an der Tür zu meinem Zimmer stand. „Ach ja - Ihr Mantel!" Rasch streifte ich mir das Kleidungsstück von den Schultern und hielt es Alcide hin, der es achtlos über die Rücklehne eines der Barhocker im Eßbereich warf.
„Brauchen Sie Hilfe mit dem Reißverschluß?" fragte er.
„Es wäre toll, wenn Sie mir helfen könnten! Wenigstens die ersten Zentimeter." Damit kehrte ich meinem Gastgeber den Rücken zu. Bei eben jenen Zentimetern hatte er mir auch geholfen, ehe wir am Abend aufgebrochen waren. Wie nett von ihm, daran zu denken, ehe er sich in sein eigenes Zimmer zurückzog.
Kurz darauf spürte ich seine großen Finger auf meinem Rücken, dann folgte das leise zischende Geräusch, das entsteht, wenn man einen Reißverschluß aufzieht. Aber als Nächstes geschah etwas Unerwartetes: Ich spürte, wie Alcide mich noch einmal berührte.
Ganz langsam glitten seine Fingerspitzen meinen Rücken hinab, während ich am ganzen Leib zitterte.
Da wußte ich nicht, was ich tun sollte.
Ebensowenig wußte ich, was ich tun wollte.
Ich zwang mich, mich umzudrehen und Alcide anzuschauen. In dessen Augen erkannte ich dieselbe Unsicherheit, die auch ich verspürte.
„Der denkbar schlechteste Zeitpunkt!" sagte ich. „Sie haben die Trennung von Ihrer Freundin noch nicht verdaut, ich bin auf der Suche nach meinem Liebsten, der mir zwar untreu geworden ist, der aber dennoch ..."
„Ganz schlecht, der Zeitpunkt", pflichtete Alcide mir bei, woraufhin er
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