Club Dead
drehte und wendete ich mich im Tanz mit Alcide.
Dann sagte ein muskelbepackter, quadratischer Mann, der auf einem der Barhocker hinter uns thronte zu seinem Begleiter, einem Vampir: „Er redet immer noch nicht. Harvey hat heute angerufen. Sie haben das ganze Haus durchsucht und nichts gefunden."
„Wir sind in der Öffentlichkeit", tadelte der Vampir den Mann in scharfem Ton. Der Vampir war sehr klein - vielleicht war er in einer Zeit Vampir geworden, in der die Männer weitaus zierlicher gewesen waren als heute.
Ich wußte sofort, daß die beiden über Bill sprachen: Der Mensch hatte an Bill gedacht, als er sagte: 'Er redet nicht' . Er war ein extrem guter Sender. Bild und auch Ton aus seinem Kopf kamen sehr klar bei mir an.
Alcide machte Anstalten, mich auf die andere Seite der Tanzfläche zu lenken, aber ich widerstand seinen Vorgaben und blickte bedeutsam in Richtung Tresen, als er mich daraufhin erstaunt ansah. Er schien mich zu verstehen, wirkte aber nicht gerade glücklich darüber.
Ich kann wirklich niemandem raten, gleichzeitig tanzen und die Gedanken eines anderen Menschen lesen zu wollen! Ich war mental völlig verspannt, und mein Herz schlug heftig; die Tatsache, daß ich ein klares Bild von Bill hatte auffangen können, hatte mir einen schweren Schock versetzt. Zum Glück führte mich Alcide unmittelbar darauf zum Barhocker neben dem Vampir, an dessen Begleiter ich Interesse hatte und entschuldigte sich, denn er wollte zur Toilette. Ich versuchte, unbefangen den anderen Tänzern zuzuschauen und den Diskjockey zu beobachten, um den Mann, der links vom Vampir saß und dessen Gedanken ich gründlich erforschen wollte, nur ja nicht direkt anzusehen.
Mein Objekt dachte an Dinge, die er tagsüber getan hatte: Er hatte versucht, jemanden am Einschlafen zu hindern, jemanden, der eigentlich auf alle Fälle hätte schlafen müssen, einen Vampir nämlich. Bill.
Einen Vampir tagsüber wachzuhalten war die schlimmste Art der Folter und ungeheuer schwer zu bewerkstelligen. Vampire unterliegen einem sehr starken Zwang, unmittelbar bei Sonnenaufgang einzuschlafen und wirken dann im Schlaf fast wie tot.
Es mag daran liegen, daß ich vom Land kommen: Daß sich die Vampire, in deren Gewalt Bill sich befand, ganz übler Methoden bedienen könnten, um ihn zum Reden zu bringen, war mir irgendwie nie in den Sinn gekommen. Aber natürlich würden sie nicht einfach herumsitzen und warten, bis Bill nach Reden zumute war, wenn sie dringend Informationen von ihm haben wollten. Wie dumm ich doch war - dumm, dumm, dumm! Das Wissen darum, wie er behandelt wurde, traf mich als heftiger Schmerz bis ins Mark - obwohl ich wußte, daß er mich betrogen hatte, obwohl ich wußte, daß er vorgehabt hatte, mich zugunsten seiner Vampirgeliebten zu verlassen.
Ich war derart in trübsinnige Gedanken versunken, daß ich die Gefahr nicht erkannte, selbst, als sie sich direkt neben mir aufbaute - bis sie mich dann am Arm packte.
Einer der Werwölfe aus der Rockergruppe, ein hünenhafter, dunkelhaariger Mann, sehr schwer und sehr übelriechend, hatte sich neben mir aufgebaut und nach meinem Arm gegrabscht. Er verteilte schmierige Fingerabdrücke auf meinem schönen roten Ärmel, und so versuchte ich sofort, mich seinem Griff zu entziehen.
„Komm doch an unseren Tisch, du süßes Ding du, wir wollen dich kennenlernen", sagte der Mann grinsend. Er trug in jedem Ohr mehrere Ohrringe - was wohl bei Vollmond aus denen werden mochte? Aber mir war gleich klar, daß ich im Moment wichtigere Probleme zu klären hatte, denn der Ausdruck im Gesicht dieses Mannes war nicht mißzuverstehen. So sah kein Mann eine Frau an - es sei denn, sie stünde nur mit BH und Hotpants bekleidet an einer Straßenecke. Der Rocker ging davon aus, daß ich sein Angebot annehmen würde.
„Nein, danke", erwiderte ich höflich, wobei ich das beunruhigende Gefühl hatte, daß dies nicht das Ende vom Lied sein würde. Aber versuchen konnte ich es ja. Ich hatte im Merlottes allerhand Erfahrung mit aufdringlichen Typen sammeln können, allerdings immer mit Rückendeckung. Sam duldet es nicht, wenn seine Angestellten angegrapscht und belästigt werden.
„Aber klar willst du bei uns sitzen, Süße." So schnell ließ sich der Typ nicht entmutigen.
Zum ersten Mal in meinem Leben wünschte ich, Bubba an meiner Seite zu haben.
Offenbar hatte ich mich schon allzusehr daran gewöhnt, daß jeder, der mich schräg anmachte, ein böses Ende fand, und es mochte auch sein, daß ich
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