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Club Kalaschnikow

Club Kalaschnikow

Titel: Club Kalaschnikow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Polina Daschkowa
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und mit einer Steppjacke gepolstert.
    Für den Fall, daß er einmal vor der hitzigen, kriegerischen Siwka in Deckung gehen mußte, hatte er sich vorsorglich Lebensmittelvorräte angelegt – zwei Konservendosen mit eingemachtem Rindfleisch und eine Halbliterflasche Wodka. Schwarzbrot und einen Dosenöffner hatte er bei sich. So speiste er jetzt im Warmen fürstlich zu Abend. Und wieder einmal dachte er: Mit einer Frau wie der Siwka ist es nicht übel, aber allein ist es doch noch besser und ruhiger. Morgen würde er seinen Tausender in Empfang nehmen und sich dann still und leise verdrücken.
    Es gab einen Ort in der Nähe von Moskau, ein Dorf namens Udalzowo, nur siebzig Kilometer weit entfernt. Dort stand die Hälfte aller Häuser leer, und er konnte sich ohne Anmeldung niederlassen. Zweihunderttausend für den Ortspolizisten, und alles ist paletti! Niemand behelligt dich. Die neuen Russen haben diesen Ort noch nicht für sich entdeckt, die einheimische Bevölkerung besteht nur aus alten Weibern. Wenn das Geld zu Ende ist, kann man sich durch Holzhacken oder kleine Hilfsarbeiten was dazu verdienen. Er könnte sich auch als Hirte verdingen. Die Omas hielten Kühe. Jedenfalls würde er dort nicht untergehen.
    Moskau hatte er gründlich satt. Eine schmutzige, hektische, boshafte Stadt, jedes Jahr wurde es für die Obdachlosen schwerer, besonders im Winter. Außerdem holte man sich dauernd irgendwelche Krankheiten, weil die Penner soeng aufeinander hockten – Tuberkulose, Gelbsucht, Krätze und die übrigen Bettlerleiden. Läuse waren schon längst seine ständigen Begleiter. Früher hatte er versucht, sie mit Kerosin zu vernichten, aber mittlerweile hatte er sich mit ihnen abgefunden. Das Kerosin brannte auf der Haut und nutzte überhaupt nichts. Kaum hatte man es abgewischt, waren sie wieder da, die Plagegeister. Sie liebten ihn eben. Wahrscheinlich schmeckte er gut.
    Satt und ruhig schlief Boris ein und träumte vom friedlichen Leben auf dem Lande. Die Heizungsrohre wärmten ihn, und die Ratten ließen ihn in Ruhe. Es war ihnen zu hoch, um hinaufzuklettern.

Kapitel 23
    Katja drückte lange auf den Klingelknopf. Die Antwort war Schweigen.
    »Die Klingel funktioniert nicht«, sagte Pawel, »wir müssen klopfen.«
    Sie begannen zu klopfen. Keine Antwort.
    »Vielleicht sollten wir sofort den Notarzt rufen? Womöglich geht es ihr so schlecht, daß sie nicht aufstehen kann?« flüsterte Katja aufgeregt.
    Pawel zog am Türgriff. Die Wohnungstür war nicht abgeschlossen. Zögernd traten sie in die Diele. In der winzigen Zweizimmerwohnung war es still und verhältnismäßig sauber, nur sehr verraucht.
    Sie gingen ins Zimmer. Auf dem als Bett zurechtgemachten Sofa lag, Arme und Beine weit von sich gestreckt, in einem gesteppten leuchtendrosa Morgenmantel eine füllige große Frau. Ihre Augen waren geschlossen, der Mund stand offen. Sie rührte sich nicht. Auf dem Couchtisch neben dem Sofa standen das Telefon, ein Aschenbecher voller Kippen, eine Untertasse mit einem angebissenen, halb vertrocknetenStück Kochwurst und ein leeres Glas. Auf dem Fußboden unter dem Tisch stand eine kleine Kognakflasche. Leer.
    »Wir müssen den Notarzt und die Miliz anrufen«, flüsterte Katja mit weißen Lippen, »sieh nur, sie atmet gar nicht. Ich habe doch erst vor vierzig Minuten mit ihr gesprochen. Pawel, ich habe Angst.«
    Pawel ging entschlossen auf das Sofa zu, nahm den herabhängenden Arm der Frau und tastete an dem molligen Handgelenk nach ihrem Puls.
    »Was iss?« murmelte Ella Anatoljewna heiser, schlug mit der Hand nach Pawel wie nach einer lästigen Fliege und rollte sich auf die Seite, mit dem Gesicht zur Wand.
    Katja ließ den Telefonhörer fallen und brach in nervöses Lachen aus. Erst jetzt fiel ihnen der starke Alkoholgeruch auf. Die Petrowa drehte sich wieder um, fluchte leise, setzte sich dann auf, verquollen und zerzaust, gähnte mit weit aufgerissenem Mund und rieb sich die Augen.
    Katja hörte auf zu lachen. »Ella Anatoljewna«, sagte sie, »Sie haben mich gebeten, schnell zu kommen, Sie hätten Probleme mit dem Herzen. Was ist passiert?«
    »Warum lachst du? Ja, mir war schlecht, und ich hatte keine Kopeke im Haus. Du hast angerufen, und da hab ich gedacht, daß … wenn … wenn ich dich direkt bitten würde, mir ein bißchen Geld zu bringen, dann würdest du bestimmt nicht kommen.« Ella Anatoljewna schluchzte laut und schuldbewußt auf. »Es ging mir wirklich schlecht. Wenn man nüchtern ist, kommen einem die

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