Cobra - Forsyth, F: Cobra - Cobra
so verschwand. Er wusste nicht, dass er und sein Kartell per Gesetz jetzt behandelt wurden wie im Ausland beheimatete Terroristen.
Und dieses Verfahren zeigte Wirkung. Große Frachter zu finden, deren Eigner bereit waren, das Risiko auf sich zu nehmen, wurde immer schwerer. Die Besatzungen der Go-fasts waren keine schlichten Hafenrabauken, sondern hoch spezialisierte Seeleute, und sie standen kaum noch zur Verfügung. Freelance-Piloten stellten plötzlich fest, dass ihr Flugzeug defekt war und nicht fliegen konnte.
Don Diego war ein Mann mit logischem Denkvermögen und einer hoch entwickelten Paranoia. Beides zusammen sorgte dafür, dass er am Leben und reich blieb. Er war inzwischen felsenfest davon überzeugt, dass er es mit einem Verräter zu tun hatte, einem Mann mitten in seinem Kartell, in der Bruderschaft, in seiner Hermandad. Und nachts malte er sich aus, was er mit diesem elenden Kerl tun würde, wenn er ihn erst gefunden hätte.
Links neben saß José-Maria Largo, der Chef des Vertriebs, und hüstelte diskret.
»Don Diego, ich sage es sehr ungern, aber ich muss es sagen. Unsere Kunden auf zwei Kontinenten werden unruhig, vor allem die Mexikaner und in Italien die ’Ndrangheta, die einen großen Teil Europas beherrscht. Sie, Don Diego, waren es, der diese beiden Konkordate geschlossen hat, mit La Familia in Mexiko und mit den Kalabresen, die den Löwenanteil unserer Ware in Europa vertreiben. Jetzt klagen sie über Lieferengpässe, über nicht ausgeführte Bestellungen, über steigende Preise aufgrund von Angebotsknappheit.«
Don Diego musste sich beherrschen, um den Mann nicht zu schlagen. Stattdessen nickte er nur ernst.
»José-Maria, lieber Kollege, ich glaube, du solltest eine Reise machen. Besuche unsere zehn größten Kunden. Sag ihnen, es gibt ein lokal begrenztes, vorübergehendes Problem, um das wir uns kümmern.«
Geschmeidig wandte er sich an Suarez.
»Und kümmern müssen wir uns darum, meinst du nicht auch, Alfredo?«
Die Drohung hing in der Luft, und sie war an alle gerichtet. Die Produktion würde gesteigert werden, um die Verluste auszugleichen. Fischdampfer und kleine Frachter, die noch nie benutzt worden waren, würden für die Atlantiküberquerung gekauft oder gechartert werden. Neuen Piloten würde man für den Flug nach Afrika oder Mexiko Honorare zahlen, die sie nicht ablehnen konnten.
Und insgeheim, das schwor er sich, würde die Jagd nach dem Verräter mit größerem Nachdruck betrieben werden, bis der Abtrünnige gefunden wäre. Dann würde man sich um ihn kümmern, und sein Hinscheiden würde nicht angenehm werden.
Anfang Oktober entdeckte Michelle einen Punkt, der aus dem kolumbianischen Urwald kam und nordwärts über das Meer flog. In der Vergrößerung zeigte sich eine zweimotorige Cessna 441. Sie erregte Aufmerksamkeit, weil sie von einem winzigen Flugplatz mitten im Nirgendwo kam, von dem aus normalerweise keine Passagiermaschinen zu internationalen Flügen starteten. Sie war kein Firmenjet, vollgestopft mit Managern, und angesichts des Kurses von 325 Grad wollte sie nach Mexiko.
Michelle wendete und nahm die Verfolgung auf, vorbei an den Küsten von Nicaragua und Honduras, wo die Cessna, wenn sie nicht mit Zusatztanks ausgerüstet gewesen wäre, einen Tankstopp hätte einlegen müssen. Das tat sie nicht; sie passierte Belize und dann Yucatan. Jetzt bot Air Force Base Creech der mexikanischen Luftwaffe an, die Maschine abzufangen, und die Mexikaner waren entzückt. Wer immer dieser Idiot war, er flog am helllichten Tag, ohne zu ahnen, dass er beobachtet wurde. Sein Beobachter wusste, dass die Cessna längst hätte tanken müssen, aber auch davon ahnte der Pilot nichts.
Zwei mexikanische Jets fingen die Cessna ab und versuchten, Funkkontakt mit ihr aufzunehmen. Sie antwortete nicht. Die Mexikaner winkten dem Piloten, er solle den Kurs ändern und in Merida landen. Vor ihnen war eine große Wolkenformation. Die Cessna ging plötzlich in den Sturzflug über und versuchte zu entkommen. Offenbar war der Pilot einer der Neulinge, die der Don engagiert hatte, denn sonderlich erfahren war er nicht. Die mexikanischen Jagdflieger hatten Radar, aber nur einen sehr beschränkten Sinn für Humor.
Die Cessna ging in Flammen auf und stürzte dicht vor Campeche ins Meer. Ihr Ziel war die Landebahn auf einer Rinderranch bei Nuevo Laredo an der texanischen Grenze gewesen. Überlebende gab es nicht. Lokale Fischerboote angelten Ballen mit einem Gesamtgewicht von fünfhundert Kilo
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