Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cocoon, Band 01

Cocoon, Band 01

Titel: Cocoon, Band 01
Autoren: G Albin
Vom Netzwerk:
an dem ich je gewesen bin. Als ich schon fast sicher bin, dass alles nur aus Projektionen wie denen in meinem Zimmer besteht, entdecke ich ihn – und mein Herz schlägt mir bis zum Hals.
    Neben einer Schubkarre kauert er und wischt sich den Schweiß mit einem Lappen von der Stirn. Der Junge aus dem Zellentrakt. Ein Gärtner, ein Gesellschafter? Welche Arbeiten muss er hier noch verrichten, und warum? Als wir vorbeigehen, blickt er auf. Während er mich genauer ins Auge fasst, erfüllt eine merkwürdige, fast greifbare Spannung den Raum zwischen uns. Er betrachtet meinen aufregend geschnittenen Anzug und mein neues Gesicht. Einen Moment lang schaut er verdutzt drein, dann verfinstert sich seine Miene. Es ist nicht einmal Ärger oder Hass. Es ist auch keine Begierde.
    Es ist Enttäuschung.

FÜNF
    E nora eilt an dem Jungen vorbei in Richtung eines Turms, dessen Eingangstür am anderen Ende der Gartenanlage liegt. Ich muss mich zusammenreißen, nicht zu ihm zurückzugehen. Was sollte ich auch sagen? Mich entschuldigen? Mich erklären? Was hat er denn erwartet? Hat er geglaubt, ich würde den Konvent in Brand stecken und weglaufen, halb verhungert und erfroren?
    »Adelice.« Enoras Stimme lässt mich aufschrecken.
    »Was?«
    »Sei während des Orientierungskurses bitte etwas aufmerksamer«, seufzt sie, und bringt mich in den anderen Flügel des Komplexes.
    »Es ist nur … « Ich weiß nicht genau, wie ich meine Gefühle beschreiben soll. »Warum sind hier Jungs?«
    »Es gibt zahlreiche Aufgaben, die wir nicht alleine erledigen können«, lautet die nüchterne Antwort.
    Ich nicke, aber man sieht mir wohl an, dass ich ihr das nicht abkaufe.
    »Webjungfern haben wichtige Aufgaben zu erledigen«, fährt Enora leiser fort. »Die Männer sorgen dafür, dass das Drumherum funktioniert und … « Sie stockt und überlegt.
    »Und?«, ermuntere ich sie.
    »Sie sind für die Sicherheit zuständig«, beendet sie den Satz.
    »Sind wir in Gefahr?«, frage ich erstaunt.
    »Wir? Nein.« Sie klingt verbittert. »Die Gilde möchte vermeiden, dass sich nur Frauen auf dem Gelände aufhalten.«
    Enora hält sich anscheinend an ihr Versprechen, meine Fragen zu beantworten, aber diese Offenheit gleich zu Anfang macht mich stutzig. Immerhin kennt sie mein größtes Geheimnis, also ist das wohl nur logisch.
    Sie wechselt das Thema: »Du wirst heute Zeit mit den anderen Kandidatinnen verbringen. Such dir Freundinnen.«
    »Wie der erste Schultag«, brumme ich, während ich die Schar junger Mädchen vor der Eichentür beäuge.
    »Ja.« Sie nimmt mich mit ihren winzigen Händen bei den Schultern und dreht mich herum, sodass ich ihr in die Augen sehe. »Außer, dass du den Rest deines Lebens mit diesen Mädchen verbringen wirst.«
    Ich schlucke. Meine Akademiezeit ist noch nicht so lange vorbei, und trotzdem vergesse ich bereits die Gesichter meiner Klassenkameradinnen. Es war ein einziger, ewiger Schönheitswettbewerb, jedes Mädchen bewegte sich auf einem schmalen Grat, um einerseits die Reinheitsanforderungen für die Kandidatur zu erfüllen und andererseits alle anderen in den Schatten zu stellen. Jede Woche kam jemand mit irgendetwas Kosmetikähnlichem, das nicht verboten war. Ich war nicht besonders gut darin, mit den anderen zu schnattern und mich aufzudonnern. Ein Kniff in die Wange? Nein danke. Kosmetika und Schönheitsbehandlungen können zwar eine Belohnung für gutes Betragen sein, wenn man älter wird – oder gar notwendig, wenn man in die Arbeitswelt ohne Geschlechtertrennung eintritt – , aber hier an diesem Ort wirken sie noch alberner als die bis dahin geltenden Reinheitsstandards. Als könnten wir froh sein, hinter verschlossenen Türen zu verrotten, solange wir nur hübsch dabei aussehen.
    Mit möglichst neutraler Miene nähere ich mich der Gruppe. Wir sind in einem schmucklosen Flur versammelt und warten, dass die Tür vor uns sich öffnet. Von den anderen Mädchen, die sich bereits in kleine Grüppchen aufgeteilt haben, geht fröhliches Geplapper aus. Es ist eine zusammengewürfelte Truppe – ein schlankes Mädchen mit kunstvoll geflochtenem ölig-schwarzem Haar, ein anderes mit kaffeefarbener Haut und kurzen, eng am Kopf anliegenden Locken, ein Mädchen mit platinblondem Haar und maßgeschneiderter Bluse. Ich frage mich, ob sie aufgeregt oder nervös sind, ob sie wohl auch ihre Seelen für riesige Badewannen und Kamine verkauft haben, und ob sie bereit sind, alles zu tun, was die Gilde von ihnen verlangt.
    Zwei junge
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher