Code Vision (Vereint) (German Edition)
Verabredung sofort zugestimmt hatte, musste ich mir eingestehen, dass ich ihn wirklich wiedersehen wollte – auch jetzt noch, wo ich wieder normal denken konnte.
Ich war schon den Tränen nahe – aus Wut UND Verzweiflung – als mein Blick wieder über das Telefonbuch wanderte. Ohne zu überlegen schnappte ich es mir und schlug es bei „R“ auf.
Dann spielen wir eben ein Spiel. Wenn ich dich finde und du in London wohnst, dann ist uns das Schicksal milde gestimmt und wenn nicht, dann sollte es nicht sein.
Mein Finger fuhr über die Seiten und beim Umblätternd entstand jedes Mal ein Knistern, was die Stimmung noch mehr auflud. Ra … Re … Rea … Rec … Red … Redfield, Christopher! Oh man. Er wohnte tatsächlich in London und wenn ich mich nicht irrte, dann war das sogar die Adresse von früher. Ich überlegte kurz, aber sein Vater hatte einen anderen Vornamen gehabt. Warum wohnte Chris immer noch in diesem protzigen Haus? Das passte gar nicht zu ihm. Er hatte es doch so verabscheut.
„Komm Ceci, wir gehen ins Bett. Der Tag war viel zu anstrengend für eine Person.“
Meine Hündin sprang sofort vom Sofa und machte sich auf den Weg ins Schlafzimmer. Nach einem kurzen Abstecher ins Bad folgte ich ihr und legte mich ins Bett. Schon lange hatte hier kein Mann mehr mit mir zusammen drin gelegen. Allerdings war ich daran auch nicht ganz unschuldig, denn ich ließ es einfach nicht zu. Aber Chris? Nein, nein, nein, NEIN! Nicht darüber nachdenken. Er hat dich vor neun Jahren verlassen. Der Kuss von vorhin hatte keine Bedeutung. Sicher hatte er schon lange keine Tussi mehr flach gelegt und ich kam ihm gerade recht. Aber der Kuss war so zart gewesen, fast scheu …
Morgen würde ich also Chris wiedersehen …
Christopher
An diesem Morgen war ich früh aufgewacht. Zu früh. Die Zeit bis zur Kaffeeverabredung mit Emily verstrich einfach nicht. Zuerst versuchte ich, an meinem Buch weiterzuarbeiten, doch meine Konzentration verabschiedete sich schon nach den ersten geschriebenen Sätzen. Dann wanderte ich durch die Zimmer, die ich benutzte und räumte auf. Sogar das Wohnzimmer, das ich nur durchquerte, um ins Esszimmer zu kommen, wurde so rein geputzt, als erwartete ich einen Makler. Auch das half nichts. Vielleicht waren meine Uhren stehen geblieben?
Doch die Zeiger bewegten sich noch. Sowohl die der großen Standuhr in der Eingangshalle als auch alle anderen. Es war kurz vor neun. Meine Nerven lagen blank. Ich malte mir die verschiedensten Szenarien aus, was passieren würde, wenn sie durch meine Tür trat. Und jede Version hinterließ ein anderes Gefühl. In kürzester Zeit durchlebte ich eine wahre Achterbahnfahrt der Emotionen. Ich hatte Angst, dass sie mich anschreien und auf dem Absatz kehrt machen würde. Ich fürchtete mich davor, dass sie vielleicht gar nicht kam. Ich freute mich darauf, sie wiederzusehen und gleichzeitig war ich wütend auf mich selbst, weil ich gestern definitiv zu weit gegangen war. Die Erinnerung an den Kuss löste eine leichte Erregung in mir aus und gleichzeitig schämte ich mich für dieses überstürzte Handeln. Sicher, sie hatte mich provoziert, es geradezu darauf angelegt, dass ich sie küsste, aber das war keine Entschuldigung. Sie hatte mich geärgert. Mehr war es nicht gewesen. Und ich hatte sie überfallen.
Die Vorstellung, dass sie es vielleicht tatsächlich gewollt hatte, dass da immer noch die Gefühle von früher sein könnten, machte mich unruhig und verliebt. Ja, ich war verliebt in diese Frau. Genauso, wie ich es früher schon gewesen war. Es hatte nie aufgehört und trotzdem … Ich konnte nicht einfach da weiter machen, wo wir aufgehört hatten.
Krampfhaft versuchte ich die Gedanken zu vertreiben, doch wirklich gelingen wollte es mir nicht. Irgendwann gewann die Angst vor ihrem Nichterscheinen die Oberhand. Der große Zeiger erreichte die Zwölf der Uhr – und verließ sie wieder. Es wurde später und später, aber Emily kam nicht – wann wollte sie hier sein? Um zehn? Natürlich war sie noch nicht da. Sie wäre eine Stunde zu früh. Emily war alles, aber nicht überpünktlich.
Ich streifte ruhelos durchs Haus und stellte fest, dass ich die oberen Etagen lange nicht mehr betreten hatte. Hier war alles noch so, wie damals. Nichts hatte sich verändert. Ich betrat den Flur, von dem mein Kinderzimmer abging und schob mit dem Fuß den Teppich ein Stück zur Seite. Da waren sogar noch die Kratzer im Holz, die ich hinterlassen hatte, als mein Vater mich an den
Weitere Kostenlose Bücher