Codename: Sparta - 5 - Der Jupiter-Diamant
Beschleunigungsphase ist beendet«, versicherte ihnen die Stimme aus der Kapsel. »Noch fünf Sekunden, dann ist die gesamte Startphase abgeschlossen. Bleiben Sie weiterhin völlig entspannt.«
Auf den letzten paar Kilometern der elektrischen Rennstrecke schwebte die Kapsel schwerelos bei schwindelerregender Geschwindigkeit und war der magnetischen Feineinstellung von Flugbahn und Geschwindigkeit ausgesetzt. Auf dieser Strecke erhielt jede einzelne Kapsel die auf ihr ganz bestimmtes Ziel zugeschnittene Flugbahn, je nachdem, ob dies eine nahegelegene Parkumlaufbahn war oder der weit entfernte Rundflug um die Monde.
In der Zwischenzeit bog sich die gefrorene Oberfläche von Ganymede unter der Startspur hinweg, die sich mittlerweile auf spindeldürren Füßen über dem Eis erhob, um ihre künstliche euklidische Geradheit beizubehalten.
Im Nu war alles vorbei; die lange Startrampe lag hinter ihnen, und die Eisberge von Ganymede fielen rasch unter ihnen weg. Der Bildschirm war plötzlich voller Sterne.
»Darf ich?« fragte Mays aus purer Höflichkeit, als er den Kanal wechselte und auf ›Flugbahn‹ umschaltete.
Auf dem breiten Bildschirm war der Maßstab der grafischen Darstellung so gewählt, daß die eisige Scheibe von Ganymede die gesamte Fläche füllte; eine blaßgrüne, parallel zum Äquator verlaufende Linie erstreckte sich von ganz rechts außen nach oben, und daran entlang schob sich eine dünne, blaue Linie. Die grüne Linie stellte ihre geplante Flugbahn dar, die blaue Linie war ihre tatsächliche Flugbahn, wie sie vom Bodenradar und den Navigationssatelliten aufgezeichnet wurde. Zur Zeit folgten die beiden Linien soweit man sehen konnte einer identischen Flugbahn, und wenn nicht etwas vollkommen schiefging, würde es auch während ihres ganzen Fluges so bleiben.
Mays stellte den Maßstab ein. Die Scheibe von Ganymede schrumpfte zu einem winzigen Fleck in der unteren rechten Ecke des mit Sternen gefüllten Bildschirms. Jetzt beherrschte die viel größere und von realistischen Wolkenbändern umzogene Jupiterscheibe die Bildmitte. Um ihn waren in konzentrischen Ringen die Umlaufbahnen von Amalthea, Io, Europa und Ganymede angeordnet. Callisto lag weiter draußen, außerhalb des Bildausschnitts. Er galt als armer Bruder der galileischen Monde, und es hieß, daß er, wie Ganymede, eine Reise wert sei. Nur wenn die Monde so zueinander standen, daß die Gesetze der himmlischen Mechanik für den Vorbeiflug einer Kapsel günstig waren, konnten die Touristen sich selbst ein Bild von den Reizen Callistos machen.
Die blaßgrüne Linie krümmte sich zunehmend in elegantem Schwung an Io vorbei, umkurvte Jupiter in engem Bogen, näherte sich Europa auf dem Rückweg, um schließlich, nach einem weiteren Drittel des Weges wieder in eine Umlaufbahn um Ganymede einzuschwenken. Amalthea war auf diesem Rundflug nicht vorgesehen; seine Umlaufbahn lag weit innerhalb der dichtesten Annäherung der Kapsel an den Jupiter.
Im Vergleich zu der enormen Anfangsbeschleunigung auf Ganymede war der größte Teil des Fluges selbst eher geruhsam. An bestimmten Schlüsselstellen jedoch mußte die Kapsel durch einen kurzen Stoß aus ihrer Steuerrakete korrigiert werden, damit sie die Flugbahn auch wirklich erreichte.
Mays betrachtete nachdenklich die Kurven auf dem Bildschirm, deren Veränderungen in diesem Maßstab zu geringfügig waren, um bemerkt zu werden. Das orangefarbene Licht des falschen Jupiter spiegelte sich in der Sichtscheibe seines Raumanzuges und verlieh seinen Augen einen warmen Glanz.
Marianne gähnte. »Ich glaube, ich lege mich schlafen. Wecken Sie mich, wenn wir uns Io nähern.«
Seine Antwort kam unnatürlich spät. »Aber gerne, meine Liebe«, brummte er endlich.
Irgend etwas in seinem Tonfall ließ sie aufmerken. »Was haben Sie vor, Randolph?« fragte sie träge. Das Hypnosemittel befand sich jedoch bereits in ihrer Blutbahn, und sie blieb nicht lange genug wach, um seine Antwort hören zu können –
– die er ihr ohnehin niemals gegeben hätte.
15
Die weißen Dampfsäulen, die aus den Eisspalten geblasen wurden, vermittelten den Eindruck von großer Kraft, aber eigentlich steckte nichts dahinter. Es waren lediglich weiträumige Wassermoleküle, die sich mit hoher Geschwindigkeit, aber praktisch ohne jeden Druck bewegten. Dieser äußerst zarte Wind hatte die riesigen fremden Antennen bis hinaus ins All geweht, als das Eis unter ihren Verankerungen geschmolzen war, hatte sich das Gebilde befreit und war
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