Codex Mosel
nun endgültig am Rad?« Walde kam wieder auf die Beine und klopfte Rasenschnitt aus der Kleidung.
»Ich hab einen Warnschuss abgegeben.«
»Wohin?«
»Natürlich in die Luft.«
»Ich würde mich nicht wundern, wenn hier die Kugel drinsteckt.« Walde schlug mit der flachen Hand an die Mauer, über die der Eindringling geflüchtet war.
»Was haben wir denn da?« Er fischte eine Mütze aus dem Geäst. »Veit hat seine Mütze verloren.«
»Wenn das tatsächlich Veit war, dann hätte ich doch gezielt schießen können«, sagte Gabi.
»Das ist doch nicht dein Ernst?«
Gabi verständigte über ihr Handy das Präsidium, dass die Fahndung nach Veit auf das Gebiet um die Franz-Ludwig-Straße konzentriert werden sollte. Als sie die Spurensicherung in Waldes Wohnung beordern wollte, wehrte dieser ab.
»Lass mal, das hat Zeit.«
»Aber«, protestierte sie. »Wie soll …«
»Ich möchte erst mit Doris sprechen.« Er untersuchte die ausgehängte Terrassentür. »Die scheint gekippt gewesen zu sein. Da brauchte er nur zum Hebel durchzufassen.«
»Ganz schön leichtsinnig.«
»Aber guck doch mal die hohen Mauern.« Waldes Arm beschrieb einen weiten Bogen.
»Wie schnell man darüber ist, haben wir ja gesehen. Und beim Domkapitular waren sie ebenfalls kein Hindernis.«
»Fehlt was?«, fragte Gabi, als sie wieder in der Wohnung waren.
»Keine Ahnung, kann ich auf Anhieb nicht sagen, da müsste auch Doris mal nachsehen.« Walde schaute in die offen stehenden Schranktüren und schloss sie nacheinander. »Ich denke, er war noch nicht lange hier drin.«
»Was denkst du, was der gesucht hat?«
»Vielleicht den Andreas-Tragaltar.«
»Aber das war doch längst im Fernsehen und in der Zeitung, dass wir … also die Polizei, den hat.«
»Er scheint weder einen Fernseher zu haben noch Zeitung zu lesen. Aber ich habe ihm, glaube ich, letzte Nacht erklärt, dass er den Andreas-Tragaltar nicht wieder haben kann.«
»Du hast wahrscheinlich so gelallt, dass er nichts verstanden hat.« Gabi maulte: »Wenn wir die Wohnung überwacht hätten, dann hätten wir den Kerl jetzt.«
*
Kaum hatte Walde hinter seinem Schreibtisch Platz genommen, klingelte das Telefon.
»Bundeskriminalamt Wiesbaden«, teilte ein Mann von der Telefonzentrale mit.
Bevor Walde fluchen konnte, war das Gespräch bereits durchgestellt.
»Heike Wolff, BKA, Herr Bock, kann ich Sie einen Moment sprechen?« Die Stimme klang nicht unsympathisch.
»Ja?«
»Ich rufe wegen der Geschichte in der Domschatzkammer an. Ich befasse mich mit Kunstdelikten.«
»Woher wissen Sie von dem Raub?«
»Erst mal aus der Presse … und … also bei mir läuft so ziemlich alles ein, was mit Kunstwerken ab einem gewissen Wert zu tun hat.«
»Und es hat Sie jemand um Hilfe gebeten?« Walde überlegte, ob Stiermann hinter seinem Rücken die Kavallerie gerufen haben könnte.
»Wie meinen Sie das?«
»Ob Sie aus unserem Haus um Hilfe gebeten wurden.«
»So direkt nicht. Wollen Sie nicht wissen, was ich Ihnen zu sagen habe?«
»Natürlich will ich das, aber Sie wurden angerufen?«
»Haben Sie damit ein Problem? Ich dachte, ich kann Ihnen mit meinen Daten vielleicht ein wenig weiterhelfen.«
»War es ein Herr Stiermann?«
»Wie bitte?«
»Der Sie angerufen hat.«
»Nein. Warum? Ist das so wichtig?«
»Nein, ist es nicht.«
»Wollen Sie jetzt wissen, was ich Ihnen mitteilen möchte?«
»Natürlich.« Walde lehnte sich in seinem Stuhl zurück und versuchte, sich auf das Gespräch zu konzentrieren.
»Vor elf Monaten ist in Wien nachts ein Einbrecher über ein Baugerüst in den Raffaelsaal des Kunsthistorischen Museums gelangt. Es gab nur etwas Pappkarton und ein wenig Bauschaum zu überwinden. Die Baustelle ist die erste Parallele zu Trier, die zweite scheint mir zu sein, dass bei der Tatausführung ebenfalls Insiderkenntnisse eine wichtige Rolle spielten. Auch in Wien hat sich der Täter sehr genau ausgekannt.«
»Interessant!«
»Er hielt sich in dem kleinen Winkel auf, der von der Überwachungskamera nicht erfasst wurde. Die Alarmanlage wurde durch eine Bewegung kurz ausgelöst. Da keine zweite Bewegung registriert wurde, haben die Wachleute die Alarmanlage routinemäßig abgeschaltet. Das muss der Dieb gewusst haben. Er hat keine Minute gebraucht, um eines der wertvollsten Kleinodien der Kunstgeschichte, eine sieben Kilo schwere Salz-Pfeffer-Kredenz von Benvenuto Cellini aus dem Jahr 1543 zu stehlen …«
»… alle Achtung.«
»Aus 24-karätigem Gold, Elfenbein und
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