Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Titel: Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
Vom Netzwerk:
befindet.«
    Ich brauchte geraume Zeit, um die Bedeutung von all dem, was der Professor mir da erzählt hatte, voll zu erfassen.
    »Ist der Codex Regius dann gar nicht in Kopenhagen?«, fragte ich verwirrt.
    »Ich habe es noch nie jemandem erzählt, Valdemar«, erklärte der Professor. »Ich habe es niemandem sagen können. Ich habe alles in meiner Macht Stehende versucht, um die Handschrift wiederzufinden. Ich versuchte, Verbindung mit diesen von Orlepps aufzunehmen, aber die waren wie vom Erdboden verschluckt. Und dann tauchte urplötzlich dieser Joachim neulich in Kopenhagen auf und fing an, über die Lücke und den Codex Regius zu reden. Angeblich hat er keine Ahnung, was sein Vater damit gemacht hat. Er behauptet, die Handschrift sei nie mit nach Südamerika gegangen, sondern befände sich in den Händen irgendeines anderen Deutschen, doch sein Vater habe ihm nie gesagt, wer das war.«
    »Ist dieser Erich dann tot?«
    »Das behauptet Joachim. Er sagt, er weiß nichts von der Handschrift. Erich von Orlepp ist seit Kriegsende auf der Flucht wegen irgendwelcher Kriegsverbrechen in Polen. Ich glaube, der Sohn deckt seinen Vater. Erich ist untergetaucht, vielleicht ist er noch in Südamerika, vielleicht hier in Europa, das entzieht sich meiner Kenntnis. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass das Söhnchen im Auftrag seines Vaters hier ist.«
    »Aber die verschollenen Seiten aus dem Codex, wieso weiß Joachim, dass du hinter ihnen her bist?«
    »Das war nie ein Geheimnis. Er hat irgendwie davon erfahren. Wir haben immer danach gesucht. Als ich ihn im Hviids traf, sagte er mir, dass er selbst der Lücke auf die Spur gekommen war, und ich ließ mich täuschen. Daran ist der Alkohol schuld. Verfolgungswahn. Ich denke nicht mehr so klar wie früher. Mein Leben ist ziemlich auf den Hund gekommen. Ganz und gar. Alles geht zum Teufel.«
    Der Professor schwieg eine Weile.
    »Aber dann habe ich wieder all meine Kräfte mobilisiert, um den Mann zu finden, der nach Hallssteinsstaðir gereist ist.«
    Er machte wieder eine Pause.
    »Ich wollte dich nicht in diesen Wahnsinn hineinziehen«, sagte er schließlich. »Ich hätte dir gleich von Anfang an sagen müssen, um was es hier geht.«
    »Aber wie hast du es geschafft, das die ganze Zeit geheim zu halten?«, fragte ich. »Die Sache mit dem Codex Regius ? Wie ist es dir gelungen, die Leute zu täuschen? Bestimmt haben doch andere die Handschrift einsehen wollen? Wie hast du die so lange hinhalten können?«
    »Weil man mir vertraut hat«, sagte der Professor mit Trauer in der Stimme. »Das Buch wurde in meine Obhut gegeben, die ganzen Jahre hat man es mir anvertraut. Da ich an einer neuen Ausgabe arbeitete, ließ man mich in Ruhe. Zu besonders wichtigen Anlässen habe ich Besuchern Seiten aus anderen alten Handschriften gezeigt. Niemand hat etwas gemerkt. Alle verstehen das Bedürfnis eines Wissenschaftlers nach Abgeschiedenheit und Ruhe zum Arbeiten, und abgesehen davon hat sich sowieso niemand um den Codex Regius oder die anderen Manuskripte gekümmert, höchstens irgendwelche alten Sonderlinge wie ich. Ich bezweifle stark, dass in Island der Großteil derBevölkerung überhaupt etwas über diese unsere Schätze weiß.«
    »Da bin ich mir aber nicht so sicher. Der Streit um die Handschriften und …«
    »Niemand interessiert sich für diese Kleinodien«, fiel mir der Professor ins Wort.
    Wir schwiegen eine längere Zeit.
    »Hast du jemals in Erfahrung gebracht, was aus Emma wurde?«, flüsterte ich.
    Der Professor antwortete nicht gleich. Wir saßen immer noch im Finsteren, und die Zeit kroch dahin. Es konnte gut sein, dass draußen bereits ein neuer Tag angebrochen war, vielleicht sogar schon die nächste Nacht. Ich hatte lange keine Geräusche von draußen gehört. Es heißt, dass sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnen, aber die Finsternis, die uns umgab, war so undurchdringlich, dass es keinen Unterschied machte, ob man die Augen zu oder offen hatte, man sah nichts. Ich verspürte Hunger.
    »Was hast du gesagt?«, fragte der Professor plötzlich, als hätte er Zeit und Ort vergessen gehabt.
    »Ich fragte nach Emma«, sagte ich.
    »Emma«, stöhnte der Professor. »Sie saß auf dem Korridor, an die Wand gelehnt, als ich mich während des Luftangriffs in Sicherheit zu bringen versuchte. Ich wollte sie hochreißen und mitnehmen … Ich dachte, sie sei noch am Leben. Dann aber sah ich die Einschusswunde. Von Orlepp hatte Wort gehalten, dieser verfluchte Hund.«
    Wieder saßen

Weitere Kostenlose Bücher