Coe, David B. - Die Chroniken von Amarid 01 - Der Fluch des Magiers
unwillkürlich. Widerstrebend gab er zu, dass es nicht gerade eine Kleinigkeit war, was Baden, die alte Hexe und die anderen da vorhatten. Er war nicht sicher, ob er jemals auch nur daran gedacht hätte, den Hain zu betreten. Wieder schüttelte er den Kopf, als könnte er mit dieser Bewegung auch die Gedanken abschütteln. Er hatte zu tun. In dem kleinen Gehölz fand er bald mehrere Äste, die etwa so lang und so dick waren wie sein Arm. Er breitete sie auf dem Boden vor sich aus und wählte einen, der ein wenig größer aussah als die anderen. Er kniete sich hin, legte eine Hand auf diesen größeren Ast und schloss die Augen, während er gleichzeitig mit seinem Geist nach der großen Eule tastete, die auf seiner Schulter saß. Sofort spürte er die Macht, die ihn durchströmte wie Gezeiten, gewaltig und unaufhaltsam. Wenn sie nur wüssten, wie stark ich bin, dachte er lächelnd, die Augen immer noch geschlossen. Sie hatten ihn einmal bestraft, ihn im Interesse dieser Narren, denen er »diente«, gedemütigt, und sie hatten ihn zugunsten von Jessamyn übergangen, als Feargus gestorben war. Aber schon bald, sehr bald, würden sie vor der Macht, die er einsetzte, erbeben.
Es dauerte nur einen Augenblick. Als er die Augen wieder öffnete und die Hand zurückzog, gab es eine kleine Höhlung in dem künftigen Schaft der Fackel. Dann griff er in den Umhang und holte einen einzelnen Ceryll heraus, so klar wie Glas und nur geringfügig kleiner als die Höhlung, die er im Holz geschaffen hatte.
»Ein Geschenk für dich, Theron«, sagte er leise, und ein boshaftes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Nutze es gut.«
Er steckte den Ceryll in den Ast, legte die Hand wieder über die Höhlung, schloss die Augen und stellte abermals den Kontakt mit Huvan her. Beinahe sofort konnte er spüren, wie sich das Holz über der Höhlung unter seiner Hand zu schließen begann.
Und gerade in diesem Augenblick hörte er Schritte hinter sich.
»Sartol«, sagte Jessamyn, »nachdem du dich aufgemacht hattest, ist mir eingefallen, dass wir vielleicht noch ein paar zusätzliche Fackeln brauchen könnten, zwei oder drei ... « Sie hielt inne. Er wusste, warum: Er hatte sich noch nicht umgedreht, hatte ihre Gegenwart nicht offiziell zur Kenntnis genommen. Er wusste, er sollte sich umdrehen, sonst würde sie misstrauisch werden, aber er brauchte einfach noch einen Augenblick ...
»Sartol.« Sie klang drängender. »Was machst du denn da?«, wollte sie wissen.
Er lauschte, wie sie noch näher kam, und als sie ihn beinahe erreicht hatte, fuhr er herum und kam auf die Beine, die Augen vor Angst weit aufgerissen. »Wer da?«, keuchte er. Dann tat er erleichtert. »Eulenweise. Du bist es, den Göttern sei Dank.«
»Sartol? Ist alles in Ordnung?«, fragte sie und sah ihn misstrauisch, aber auch besorgt an.
Er lächelte in sich hinein.
»Ich denke schon«, erwiderte er und holte tief Luft. »Ich hatte Schritte gehört, ich wusste nicht, wer ... ich glaube, ich habe kurz das Bewusstsein verloren. Ich erinnere mich nur noch, dass ich nach Ästen suchte, die sich für Fackeln eignen.« Er wischte sich über die Stirn. »Ich denke, das Fieber hat mich mehr geschwächt, als ich dachte.«
»Es sieht ganz danach aus«, sagte sie und blickte ihn prüfend an. »Du siehst ein wenig erschöpft aus.« Sie schaute sich im Gehölz um. »Ich kann dir ja helfen«, bot sie an und ging an ihm vorbei, »und dann bringen wir dich ins Lager zurück.«
Er versuchte, die Äste, die er schon gesammelt hatte, vor ihr zu verbergen, aber es war zu spät. Er stand reglos da, wartete, wusste, was geschehen würde und was er tun musste. Wieder blitzte es, und dann folgte ein neuer Donnerschlag. »Es sieht so aus, als hättest du schon ein paar gefunden, die -«
Er hörte, wie sie nach Luft schnappte, als sie die veränderte Fackel bemerkte, und dann wandte er sich ihr langsam zu. Ihre Miene war beinahe komisch: Schrecken und Angst zuckten über ihre verwitterten Züge, als sie zwischen dem Eulenmeister und dem Ast mit dem halb verborgenen Ceryll hin und her sah.
»Hast du den Verstand verloren?«, flüsterte sie. Er war überraschend ruhig, in gewisser Weise erleichtert, dass man ihm die Last der Täuschung abgenommen hatte. Und er freute sich darüber, dass die Hexe in dem Wissen sterben würde, dass er es war, der sie tötete. Es war allerdings wichtig, dass er es vorsichtig tat, denn wenn die anderen magisches Feuer sahen, würden sie vielleicht seine Farbe
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