Colin-Saga 01 - Der Mond der Meuterer
nie zuvor gesehen hatte, und er begriff jetzt, dass Colin sich mehr als nur physisch verändert hatte. Er wirkte härter, irgendwie … rücksichtsloser. Der wild entschlossene Raketen-Freak, den Sean schon so lange kannte, hatte jetzt etwas gefunden, wofür er kämpfen konnte.
Nein, das war unfair: Colin hatte schon immer gewusst, wofür er kämpfte, doch bisher war es immer um die Suche gegangen, um das Hinterfragen. Er hatte immer darauf gebrannt, Grenzen zu überschreiten, weiterzukommen, weiter und schneller als jeder andere vor ihm; und doch war es nicht so zielgerichtet gewesen, immer nur diese Bereitschaft gewesen, sich vom Wind treiben zu lassen und einfach gegen jede Grenze anzustürmen, die sich ihm bot. Jetzt aber war er konzentriert und leidenschaftlich, fast schon verzweifelt, jetzt hatte er eine Entschlossenheit gefunden, bei der er all die gewaltige Kraft einzusetzen bereit war, von der Sean wusste, dass sie in seinem Bruder schlummerte. Trotz all der Dinge, die Colin bisher erreicht hatte, war er doch nie auf eine echte Herausforderung gestoßen. Keine Herausforderung wie diese hier. Colin war jetzt ein Getriebener, und Sean fragte sich, ob sein Bruder nicht durch all das, was er hatte durchmachen müssen, endlich die Aufgabe gefunden hatte, für die er geboren war …
»Also gut«, sagte er leise, »dann sag's mir!«
»Ich wünschte, ich müsste dich nicht darum bitten«, meinte Colin, und vor lauter Sorge klang seine Stimme ganz gepresst, »aber es geht nicht anders. Hast du schon mein ganzes Hab und Gut von Shepherds abgeholt?«
Zunächst war Sean ein wenig verblüfft ob dieses vermeintlichen Themenwechsels, doch dann schüttelte er den Kopf. »Die NASA hat mir einen Karton mit deinem Zeug geschickt, aber abgeholt habe ich nichts.«
»Dann muss ich dich bitten, das zu tun«, sagte Colin und zog einen Stift aus der Brusttasche seines Hemds. »Auf meinem Computer im White Tower befinden sich ein paar persönliche Dateien – ich bezweifle, dass sich bisher irgendjemand die Mühe gemacht hat, sie durchzuschauen, aber wir können dafür sorgen, dass du eine Notiz zwischen meinen Papieren ›findest‹, die darauf hinweist. Major Simmons wird dich nach White durchlassen, und Chris Yamaguchi kann sie dann für dich heraussuchen.«
»Na klar, warum nicht?«, meinte Sean. »Aber wofür brauchst du die denn?«
»Ich brauche sie gar nicht. Ich möchte nur, dass du hiermit in den White Tower gehst.« Er streckte ihm den Stift entgegen. Mit verwirrtem Gesichtsausdruck nahm Sean diesen entgegen, und Colin lächelte unglücklich.
»Das ist nicht ganz das, wonach es aussieht, Sean. Man kann damit auch schreiben, aber eigentlich ist das ein Relais für meine eigenen Sensoren. Wenn du das Ding in der Tasche hast, dann kann ich einen Scan über das gesamte Spektrum machen, und zwar von deiner gesamten Umgebung. Und wenn du den Aufzug in Block L nimmst, dann kommst du auf dem Weg nach oben auch durch die Abteilung Geowissenschaften.«
»Aha!«, stieß Sean leise hervor. »Mit anderen Worten: Ich nehme dich also praktisch mit.«
»Ganz genau. Wenn Dahak Recht hat – und meistens ist das so –, dann steckt irgendjemand in der Abteilung Geowissenschaften mit den Meuterern unter einer Decke. Wir gehen davon aus, dass die alle auf Terra geboren sind, aber wer auch immer nun der Spion der Meuterer sein mag, vielleicht hat er ja das eine oder andere Spielzeug bei sich oder in der Nähe seines Arbeitsplatzes, das auf imperialer Technologie basiert.«
»Und wie wahrscheinlich ist das?«
»Ich wünschte, das wüsste ich«, gab Colin zu. »Dennoch: Wenn ich einer der Meuterer wäre, dann wäre ich immens versucht, meinen Kumpels ein bisschen unter die Arme zu greifen, wenn die das bräuchten. Es gibt eine ganze Menge ziemlich kleiner Gerätschaften, die verdammt hilfreich sein könnten – Prüfgeräte, Mikrowerkzeuge, Minicomputer, vielleicht sogar ein ComLink, um zu überprüfen, ob sie auf irgendwelche Probleme stoßen.«
»Ein ›ComLink‹?«
»Das Imperium benutzt schon seit langer, langer Zeit keine Funkgeräte mehr. Gib deinem Burschen da drinnen ein Raumfaltungs-Link, und du verfügst über eine völlig sichere Verbindung – es sei denn natürlich, irgendjemand würde das Gespräch einfach auf die altmodische Art und Weise belauschen.«
»Das verstehe ich, aber meinst du wirklich, dass die solches Zeug einfach rumliegen lassen?«
»Warum denn nicht? Klar, die werden versuchen, alles richtig Bizarre
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