Colin-Saga 03 - Die Erben des Imperiums
war noch längst keine Panik, aber dieses Choräle schmetternde Ungetüm vermochte an jedermanns Nerven zu zerren, und Tamman wandte sich an seinen Ersten Offizier.
»Wir sollten auch ein wenig Musik machen, Lornar«, schlug er vor, und Oberhauptmann Lornar grinste.
»Sofort, Erlaucht Tamman!« Er winkte einen Botenjungen herbei, und der Bursche eilte zum hinteren Teil der Schanze hinüber. Einen Augenblick lang waren leise Beratungen zu vernehmen, und dann das Schrillen eines Dudelsacks. Dieses Instrument hatten die Malagoraner erfunden, und mit gefletschten Zähnen blickten Tammans Truppen einander an, als das trotzige Heulen der Pfeifen der Garde entgegenbrandete.
Großer Gott, ich hob wirklich nicht begriffen, wie lange das dauern würde! Sean zwang sich dazu stillzustehen, er lauschte der Musik, die jetzt als Antwort auf den Gesang der Garde von den Schanzen erklang. Ihm war übel, und er fühlte sich völlig leer, die Nerven waren bis aufs Äußerste gespannt angesichts der Bedächtigkeit, mit der Tausende von Männern in den Tod marschierten. Das war nicht wie der verzweifelte Kampf der Israel gegen das Quarantäne-System. Dies hier war langsam und qualvoll.
Unerbittlich schmolz die Distanz zwischen den gegnerischen Parteien zusammen, und Sean biss sich auf die Lippen, als über den Schanzen die ersten Rauchwolken aufstiegen. Geschosse bissen sich in die Reihen der Garde, verstümmelten und töteten, rissen furchtbare Wunden, und dank der gesteigerten Leistungsfähigkeit seiner Augen konnte er das Blutbad nur allzu gut mitansehen. Er schluckte Galle, doch noch während die Gewehre abgefeuert wurden, änderte sich die Musik der Dudelsäcke. Sie spielten jetzt in einem neuen, wilderen Rhythmus, und er blickte zu Tibold hinüber.
»Diesen Lobgesang habe ich noch nie gehört!«
»Das ist kein Lobgesang«, erwiderte Tibold, und fragend hob Sean eine Augenbraue. »Das ist ›Malagor die Freie‹, Erlaucht Sean«, erklärte der Ex-Gardist leise.
Vrikadan hörte das schrille, zitternde Seldahk-Heulen des malagoranischen Schlachtrufes – ein erschreckender Laut, auf den, ebenso wie auf die Musik, die ihn nicht zu übertönen vermochte, seit fast zwei pardalianischen Jahrhunderten die Todesstrafe stand. Doch Vrikadan hatte jetzt ganz andere Sorgen. Er rang mit seinem Reittier, als eine weitere Salve kreischend in seine Männer fuhr. Und noch eine. Und noch eine! Großer Gott, woher hatten die all die Gewehre?
Heulend erhob sich ein Wirbelsturm, und er schüttelte die Steigbügel von seinen Stiefeln, als eine Kugel den Schädel seines Branahlk zerschmetterte. Das Tier stürzte um, wie eine Fontäne ergoss sich sein Blut über seinen Reiter, doch Vrikadan rollte sich seitwärts ab, kam wieder auf die Beine und zog sein Schwert. Die Entfernung war zu groß, dass seine eigenen Schützen mit ihren Geschossen die Feldschanzen hätten erreichen können, doch der Oberhauptmann packte das Knie eines seiner berittenen Adjutanten.
»Kanonen bereit!«, bellte er. »Setzt sie jetzt ein! Jetzt sofort!«
Hustend schaute einer von Tammans Arlak-Bedienungstrupps zu, während der beißende Qualm über ihn hinwegrollte. Ein Ladungspaket wurde in den Lauf geschoben, dann verschloss der Richtschütze die Entlüftungsöffnung mit einem Lederstopfen. Anschließend wurde das Acht-Kilo-Geschoss eingefüllt, dann der Ladepfropf, und schließlich wuchtete der Trupp die Waffe wieder in die Geschützgruppe zurück, während der Schütze den Verschluss spannte und einen Federkiel durch die Entlüftungsöffnung schob, um das Ladungspaket anzustechen. Die Kanone spie eine Stichflamme aus und wurde ein Stück weit zurückgestoßen, ein tropfnasser Schwamm kam in den Lauf, mit dem die glimmenden Funken des letzten Schusses gelöscht wurden, und schon wartete eine neue Ladung.
Tamman wandte sich ab, durch das Dröhnen und Tosen und das wahnsinnige Kreischen der Dudelsäcke ganz betäubt, und seine Hand verkrampfte sich um den irdenen Schutzwall, als die Reihen der Garde-Musketiere sich teilten, um die Piken und die eigenen Kanonen freizugeben, die jetzt zum Schuss vorbereitet wurden.
Fürst Rokas mühte sich, durch die Qualmwolken hindurchzuspähen. Das Feuer, das ihnen von den Schanzen entgegenbrandete, war schlichtweg unmöglich. Niemand konnte derart viele Kanonen, selbst wenn er sie gehabt hätte, auf so kleinem Raum unterbringen, und diese Ketzer konnten überhaupt nicht so viele Kanonen haben!
Trotzdem:
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