Colin-Saga 03 - Die Erben des Imperiums
irgendetwas hätte vorbringen können. Der Priester war ein guter Mensch, auch wenn sein erstes Zusammentreffen mit Harry beinahe in einem Justizmord geendet hätte. Stomald besaß die Art von Mitgefühl, die auch zu Harrys Wesen gehörte.
Nichts davon änderte etwas an der Tatsache, dass Harry es nicht für nötig gehalten hatte, ihre Entscheidung vorher mit ihm durchzusprechen! Und die möglichen Auswirkungen, die diese kleine Enthüllung mitten während eines Heiligen Krieges haben mochte, ließen sich kaum vorstellen. Harry wusste das, wie ihre trotzige Miene verriet. Ein halbes Dutzend bissiger Bemerkungen ging Tamman durch den Kopf. Er zwang sich dazu, sie sich samt und sonders zu verbeißen, weil er selbst nicht wusste, wie viele davon die Folge berechtigter Sorge und wie viele nur seinem verletzten männlichen Ego zuzuschreiben waren.
»Also«, sagte er dann auf Pardalianisch, »du siehst aus, als hättest du mir irgendetwas zu sagen.«
»Erlaucht Tamman«, erwiderte Stomald, bevor Harriet auch nur ein Wort sagen konnte, »Erlaucht Harry hat mir letzte Nacht die Wahrheit offenbart.« Wortlos schaute Tamman ihn an, und der Priester erwiderte seelenruhig seinen Blick. »Ich habe niemandem sonst davon erzählt, und ich habe auch nicht die Absicht, das noch zu tun – nicht ehe der Innere Kreis besiegt ist und Ihr und Eure Gefährten auf diesen … Computer zugreifen konntet.« Seine Zunge stolperte bei dem unvertrauten Wort, doch Tamman spürte, wie seine verkrampften Schultern sich lockerten. Seine schlimmste Sorge hatte Stomalds unerschütterlicher Integrität gegolten: Wäre der Priester zu dem Schluss gekommen, die Mannschaft der Israel habe seine Religion geschändet, hätte das zu einem völligen Desaster führen können.
»Ich verstehe«, gab Tamman langsam zurück und schürzte dann die Lippen. »Darf ich fragen, warum nicht, Vater?«
»Weil Erlaucht Sandy Recht hat«, erwiderte Stomald schlicht. »Wir alle befinden uns, was diesen Krieg angeht, in einer Situation, der wir nicht entkommen können. Zwar war ich im Irrtum, als ich glaubte, in Erlaucht Harry und Erlaucht Sandy Engel sehen zu dürfen. Aber der Innere Kreis ist weit mehr im Irrtum bei dem, was er glaubt. Die Zeit wird kommen, in der all diese Irrtümer ausgeräumt werden können, eine Zeit, in der die Garde nicht mehr versuchen wird, uns alle zu töten, Erlaucht.«
Der Priester warf ihm ein schiefes Grinsen zu, und Tamman lächelte zurück. Verdammt, er hätte die völlige Demontage seines Weltbildes gewiss nicht so ruhig hinnehmen können, wie Stomald es zu tun in der Lage schien!
»Gleichzeitig, Erlaucht«, fuhr Stomald ein wenig zögerlicher fort, »hat Erlaucht Harry mir von ihrer Beziehung zu Euch erzählt.« Tammans innere Anspannung wuchs wieder. Die moralischen Vorstellungen der Pardalianer waren deutlich weniger streng, als Tamman anfangs erwartet hatte. Sex zwischen Unverheirateten zählte auf Pardal nicht zu den Todsünden, wurde aber dennoch von der Kirche missbilligt. Stomalds Ton verriet ihn als den geistig äußerst regen jungen Mann, der er war; er klang so gar nicht wie ein zürnender Priester.
»Ja?«, fragte Tamman also nach, so beiläufig wie nur möglich.
»Erlaucht …«, Stomald blickte ihm geradewegs in die Augen, »… ich liebe Erlaucht Harry von ganzem Herzen. Ich bilde mir nicht ein, ihr ebenbürtig oder ihr würdig zu sein …«, Harriet stieß einen Laut des Widerspruchs aus, doch er ignorierte sie und wandte den Blick nicht von Tamman ab, »… doch ich liebe sie trotzdem, und sie liebt mich. Ich … ich möchte nicht, dass Ihr glaubt, jemand von uns beiden habe Euch hintergehen wollen oder versucht Euch zu täuschen.«
Mehrere Sekunden lang blickte Tamman ihn wortlos an, während er mit seinen eigenen Emotionen rang. Zum Teufel noch mal, er hatte doch genau so etwas kommen sehen! Lange waren Harry und er miteinander befreundet gewesen, ehe sie ein Liebespaar geworden waren! Es war die erzwungene Nähe auf der Israel gewesen, die sie dazu gemacht hatte – nichts, was von Dauer gewesen wäre also. Doch einen winzigen Augenblick lang war Tamman unendlich und geradezu fürchterlich eifersüchtig auf Sean und Sandy.
Schließlich schüttelte er den Kopf und holte tief Luft.
»Ich verstehe«, sagte er erneut, streckte die Hand aus, und Stomald zögerte wirklich nur einen winzigen Augenblick, bevor er diese ergriff. »Ich werde nicht so tun, als würde das meinem Selbstwertgefühl immens gut tun, Stomald,
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