Collection Baccara 0278
Sekunde lang nachgeweint. Doch nun hatte sie das Gefühl, etwas Wichtiges verloren zu haben.
Sie musste positiv denken, ermahnte sie sich. Wenn sie damals geschafft hatte, sich in der riesigen Stadt zurechtzufinden, würde sie es auch diesmal schaffen.
„Rachel! Die Muffins!“, rief Bertha Blewins, Rachels Vorgesetzte, erneut. Bertha war eine schlecht gelaunte, drahtige Person, die immer zur Eile antrieb.
„Hast du schon etwas von Rachel gehört?“, fragte Reginald Kim. Er saß zusammen mit Harold, der sich hinter einer Zeitung versteckte, an seinem Lieblingstisch im Kim’s, gleich neben der Theke. Kim nahm seine Tasse und füllte sie erneut mit Kaffee.
„Ich habe sie vor ein paar Tagen angerufen, um ihr zum Geburtstag zu gratulieren. Ich hatte den Eindruck, sie ist nicht so glücklich. Sie sagte zwar, es sei alles wunderbar, aber ich glaube, sie verschweigt etwas. Sie wohnt in irgendeinem billigen Hotel, weil sie ihr Apartment für ein halbes Jahr vermietet hat. Sie dachte ja, sie dürfe so schnell nicht mehr in NewYork arbeiten. Sie hat es zwar nicht so gesagt, aber ich glaube, das Hotel ist eine ziemlich miese Absteige. Es sei nicht teuer, und sie könne auf diese Weise gut Geld sparen, meinte sie.“
„Sie konnte es ja kaum erwarten, wieder von hier wegzukommen“, stellte Reginald fest.
Kim nickte zustimmend. „Sie hat ihre Sachen gepackt, und am nächsten Tag war sie weg.“ Dann wischte sie sich die Hände an der Schürze ab. „Wir waren alle sehr überrascht, dass Colin die Rechtsstreitigkeit so schnell beenden konnte. Und noch dazu mit so großem Erfolg!“
„Ich glaube, er selbst war ebenfalls überrascht“, sagte Reginald. „Seit sie weg ist, bläst er den ganzen Tag nur Trübsal. Es ist wirklich ein Jammer mitanzusehen, wie er leidet. Nicht einmal das neue Flugzeug kann seine Stimmung heben. Er hat sich in Arbeit gestürzt, angeblich weil er zum Jahresende als vollwertiger Partner in die Kanzlei einsteigen will. Sein Ehrgeiz in allen Ehren, aber ich finde, er sieht nicht gut aus. Wie sagte er letztes Mal so schön? Rachel und er hätten das traurige Los gezogen, in zwei völlig verschiedenen Welten zu leben, die nicht miteinander vereinbar seien.
„Es ist wirklich jammerschade! Dabei war sie so glücklich, als sie hier bei uns gearbeitet hat. Sie hat sogar überlegt, wie man das Lokal erweitern könnte. Als ich sie vor einigen Tagen angerufen habe, um ihr zum Geburtstag zu gratulieren, habe ich sie nochmal darauf angesprochen. Da sagte sie nur, sie habe jetzt keine Zeit. Ich verstehe nicht, warum sie nicht hiergeblieben ist. Sie ist wirklich ein Dickkopf.“
„Vielleicht solltest du sie in New York besuchen und ihr vor Augen führen, was ihr alles entgeht“, meldete sich Harold plötzlich zu Wort und ließ die Zeitung sinken. Er hatte die ganze Zeit dem Gespräch gelauscht.
„Was sollte das bringen?“, fragte Kim mutlos.
Harold nahm das Kännchen mit der Sahne und schüttete etwas davon in seinen Kaffee. „Ich denke, das Leben in so einer Großstadt ist sehr einsam. Keiner kümmert sich um den anderen, so wie es hier in Morrisville üblich ist. Vielleicht würde es ihr die Augen öffnen, wenn du zu ihr fährst. Sag ihr, ihre Brownies sind besser als deine.“
„Das ist nicht wahr!“, meinte Kim empört.
„Doch.“ Harold nahm einen Schluck Kaffee. „Mach ihr deutlich, dass hier Leute auf sie warten, die sie lieben. Zeig ihr, dass es hier all das gibt, was ihr in einer Großstadt fehlt.“ Dann wischte er sich mit der Serviette den Mund ab, stand auf und ging.
Inzwischen war es Anfang Mai und das Wetter in New York wurde allmählich wärmer und freundlicher. Die Leute hielten sich wieder mehr draußen auf, und überall grünte und blühte es. Das war die Jahreszeit, die Rachel am meisten liebte. Ihr Gemütszustand besserte sich allmählich.
Sie schob ein Backblech in den Ofen und stellte den Timer auf acht Minuten. Dann rief sie ihrer Kollegin zu: „Würdest du die Muffins herausnehmen, wenn sie fertig sind? Ich gehe jetzt nach Hause.“
„Mach ich.“
Rachel ging in den Personalraum, zog ihre Schürze aus und hängte sie in ihren Spind. Es war Freitag, und sie hatte nun Feierabend. Zum Glück hatte sie an den Wochenenden immer frei.
Gut gelaunt marschierte sie in Richtung U-Bahn. Ihr Hotel lag vier Stationen vom Bitsy’s entfernt. Zugegeben, es war nicht gerade eine Luxusunterkunft, aber zumindest lag es in einem sicheren Stadtteil. Das Zimmer war winzig, und die
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