Collection Baccara 0283
Beifahrertür öffnete. Dann ließ er sie vorsichtig, sehr vorsichtig auf den tiefen Sitz gleiten.
Ihr tat inzwischen jeder Knochen weh, aber sie wollte nicht stöhnen und jammern. Lieber riss sie sich zusammen. „Meine Handtasche“, presste sie zwischen den Zähnen hervor. „Die ist im Mietwagen.“
Wieder rollte er mit den Augen. Warum haben Sie etwas so Dummes getan?
Ja, okay, das war ihr zweiter Patzer. Man ließ keine Handtasche im offenen Wagen liegen – weder in Italien noch sonst wo. Normalerweise passierte ihr das ja auch nicht. Aber diese Straße lag so verlassen da, und sie hatte den Wagen die ganze Zeit im Auge behalten. Nur während ihres Ausflugs zur windschiefen Zypresse nicht – und daran war sie ja wohl nicht allein schuld.
Außerdem war es gut, dass sie die Tasche nicht dabeigehabt hatte. Die wäre sonst nämlich am Kliff hinuntergesegelt. Genau wie das Handy, das jetzt weiß Gott wo lag, und eines war sicher: Sabrina würde nicht auf dem Hang herumkrabbeln, um nach ihrem Telefon zu suchen.
„Ich habe Ihr Auto verriegelt“ , betonte Marco, als er mit ihrer Handtasche und dem Schlüssel zurückkam. „Nachher werde ich jemanden schicken, der es abholt, während Sie untersucht werden.“
Geschmeidig ließ er sich hinters Steuer gleiten und startete den Ferrari. „Ich bringe Sie ins Krankenhaus von Positano. Das ist klein, doch hervorragend ausgestattet.“
„Ist es weit bis dorthin?“
„Nein.“ Er deutete auf eine Gruppe farbiger Häuser, die man stufenartig in die steile Felswand gebaut hatte. „Das dürfte der Ort sein, den Sie fotografiert haben“, fügte er trocken hinzu.
Sabrina konnte nicht antworten … vor Angst war ihre Zunge wie gelähmt. Auf der Fahrerseite durch diese schmale Serpentinenstraße zu kurven, fand sie ja schon äußerst nervenaufreibend. Doch auf dem Beifahrersitz schien sie immer nur wenige Zentimeter vom Abhang entfernt zu sein, und das war grausig. Jeden Moment erwartete sie, dass der Ferrari zu weit nach rechts ausscherte.
Angespannt saß sie da, die Handflächen seitlich an den Sitz gepresst. Und sobald der Ferrari in eine Kurve fuhr, schnappte sie erschrocken nach Luft, während ihr unverletzter Fuß auf eine nicht existierende Bremse trat.
Nach einigen Meilen legte sich ihre Angst jedoch etwas, und sie musste zugeben, dass Marco Calvetti seinen Sportwagen meisterhaft beherrschte. Blieb die Frage, warum er vorhin auf sie zugerast war.
Na ja, vermutlich hatte sie ihn einfach erschreckt. Er konnte ja nicht damit rechnen, dort oben plötzlich eine Fußgängerin vor sich zu sehen.
Sie zwang sich, den Blick von der gefährlichen Straßenkante zu lösen, und wandte sich dem Fahrer zu. „Ihr Name ist italienisch, Ihr Akzent ebenfalls, aber Ihr Englisch klingt so, als hätten Sie lange in New York gelebt.“
„Sie haben ein gutes Gehör. Ja, ich war drei Jahre lang dort und habe als Neurochirurg am Mount Sinai gearbeitet.“ Er blickte sie von der Seite an. „Wohnen Sie in New York?“
„Früher mal“, murmelte sie und trat auf die imaginäre Bremse. „Mir wär’s lieber, wenn Sie nach vorn sehen, Doc!“
Sabrina atmete auf, als sie die Steilküste hinter sich ließen und rechts und links der Straße die ersten Gebäude auftauchten.
Positano erwies sich als kleine Stadt, die vom Tourismus lebte. Das erkannte Sabrina an den vielen Restaurants und Geschäften, von denen allerdings kaum eines geöffnet hatte. Hier und da war ein Schaufenster mit Keramik dekoriert. Es wurde auch Limoncello angeboten, ein Zitronenlikör, der an der Amalfiküste nach einem traditionellen Rezept zubereitet wurde. Aber die meisten Läden waren verrammelt. Der kleine hübsche Ort schien Winterschlaf zu halten.
Die Hauptstraße führte bergab zu einer Kirche, deren Vorplatz mit festlichen Girlanden geschmückt war. Und neben dem Portal stand ein Krippenspiel mit lebensgroßen Figuren. Klar, Weihnachten war erst zwei Tage her. Hinter dem Kirchplatz ging es wieder bergauf, und jetzt erhaschte Sabrina einen Blick auf bunte Fischerboote, die auf dem Strand lagen. Dann bog Dr. Calvetti scharf nach links ab und fuhr auf den Hof des Krankenhauses.
Dort parkte er den Ferrari und kam zur Beifahrerseite. Wieder legte Sabrina den Arm um seinen Nacken. Als Marco sie hochhob, streifte ihre Wange seine, nur kurz, doch schon begann ihre Haut zu prickeln.
Er ist wirklich ein interessanter Mann, dachte Sabrina, während sie auf den Eingang zusteuerten.
Die breite Glastür öffnete
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