COLLECTION BACCARA Band 0269
mich war, dich von dem Felsen stürzen zu sehen?“
Dass er aufbrausend sein konnte, kam nicht überraschend. Dass sich das ausgerechnet an einer Felswand zeigen musste, schon. Sie hatte ihm Angst eingejagt, weil ihm nicht klar gewesen war, dass sie nicht tief gestürzt wäre. „Mir geht es gut“, sagte sie und begann zu zittern. Jetzt setzte die Schockwirkung ein, und sie musste nach oben, ehe sie noch stärker wurde. „Tristan, wir müssen rauf. Jetzt.“
„Was ist mit der Schlange?“ Er beruhigte sich, und das war gut.
„Ich werfe etwas Seil nach oben, um sie zu verscheuchen.“
„Warum steigen wir nicht wieder runter?“
„Von hier können wir nicht absteigen, und zum Gipfel ist es näher.“ Sie würde die Schlange mit genug Seil und Haken bombardieren, um einen Elefanten zu verjagen. „Ich geh rauf“, sagte sie, „bevor meine Muskeln nachgeben.“ Er schien nicht überzeugt. „Vertrau mir. Bitte.“
„Bist du verletzt?“
„Nein.“ Ja. Sie war ziemlich hart mit der Schulter gegen den Fels geschlagen, aber noch konnte sie sich festhalten, und solange sie das schaffte, konnte sie auch klettern. „Wir sehen oben nach.“
Sie vertrieb die Schlange und schaffte es endlich bis nach oben. Dann sicherte sie das Seil an einem Ring auf dem Gipfelplateau und rief Tristan zu, er solle jetzt kommen.
Er könnte einen guten Bergsteiger abgeben, wenn er wollte, dachte sie. Nicht dass er sonderlich begeistert wirkte, aber das kam vielleicht noch. Immerhin war sein erster Eindruck von dieser Bergtour nicht unbedingt der beste gewesen.
Sobald er bei ihr war, holte sie das Seil ein. Dann setzte sie sich ein Stück entfernt von ihm hin und untersuchte sich auf mögliche Verletzungen.
Ihr Bein war aufgeschürft. Es brannte wie Feuer, blutete aber zum Glück kaum. Die Schulter machte ihr mehr Sorge. Vorsichtig bewegte sie sie und tastete die Knochen ab. Gebrochen schien nichts.
„Du brauchst Eis“, sagte er mürrisch.
„Vielleicht können wir bei einer Tankstelle am Stadtrand halten.“
„Oder bei einem Krankenhaus.“
„So schlimm ist es nicht.“ Sie glaubte, Wut in seinen Augen auffunkeln zu sehen, bevor er sich abwandte.
„Wie du meinst.“
Und da spürte sie, dass sie ihn verlor.
Der Ausblick war fantastisch, doch sie konnte ihn nicht genießen. „Ich wäre nicht tief gefallen“, sagte sie, verzweifelt bemüht, zu ihm durchzudringen. „Unsere zweite Position war noch gesichert.“ Er sah sie kurz an. „Tristan?“
Keine Antwort.
„Danke, dass du mich gefangen hast.“
„Das war reiner Reflex. Tut mir leid, wenn du lieber gefallen wärst.“
„Nein! Nein, es war besser so. Ich hatte nur Angst um dich, das ist alles. Wir hatten eben beide Angst um den anderen.“ Sie streckte die Hand nach ihm aus, und er zuckte zusammen, als sie seinen Arm berührte. „Was ist denn? Du hast dir den Arm verletzt, stimmt’s?“
„Meinem Arm geht es gut.“
„Was ist dann los?“
„Nichts.“ Er stand auf. „Wir sollten jetzt wieder runtersteigen.“
„Ja, das sollten wir.“ Sie erreichte ihn nicht mehr. Wenn sie unten waren, würde sie es noch einmal versuchen. Vielleicht konnte sie ihn zurückholen.
Der Abstieg verlief ohne weitere Zwischenfälle. Unten packten sie ihre Ausrüstungen zusammen, und Tristan trug beide zum Wagen. Er sprach kein einziges Wort, das musste er auch nicht.
Erin ging schweigend neben ihm her. „Also, dann setze ich dich bei dir zu Hause ab?“, fragte sie, als sie am Wagen waren.
„Mit der Schulter kannst du nicht fahren.“ Er öffnete ihr die Beifahrertür. „Ich fahre.“
Er hatte wahrscheinlich recht, denn in der Schulter pochte es schmerzhaft. Erin sank auf den Beifahrersitz und wollte gerade nach dem Sicherheitsgurt greifen, als Tristan es bereits tat.
„Ich mach das“, sagte er und schnallte sie ganz behutsam an.
Sie legte ihre Hand auf seine, doch er zog sie weg. „Tristan, was ist los?“
„Wir fahren zu deiner Mutter. Sie kann sich um dich kümmern.“
„Na gut.“ Sie schloss die Augen und kämpfte mit den Tränen. Ihre Schulter schmerzte, die Abschürfungen in ihrem Bein brannten, aber all das war nichts im Vergleich zu dem Schmerz in ihrem Herzen.
An der ersten Tankstelle, an der sie vorbeikamen, holte er ihr Eis. Als sie es sich auf die Schulter legte, sah er sie besorgt an. „Wir fahren ins Krankenhaus.“
Sie widersprach ihm nicht.
Schweigend fuhr er sie ins Krankenhaus und wartete dort mit ihr, bis sie aufgerufen wurde. Dann
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