Colours of Love - Entblößt: Roman (German Edition)
die anderen verkauft und die Leute alle entlassen?« Jonathan formuliert, was ich auch überlege, und ich sehe ihm an, dass er zu dem gleichen Schluss kommt wie ich.
Der Earl muss finanzielle Probleme haben. Die defekte Alarmanlage und die Salons, in denen Möbel fehlten, fallen mir wieder ein. Außerdem hat einiges hier auf Lockwood Manor eher einen verfallenen Charme, was ich auf das Alter des Hauses geschoben habe. Aber sicher könnte man ein Anwesen wie dieses mit den nötigen Mitteln besser in Schuss halten, als es im Moment der Fall ist.
»Frag ihn doch«, sage ich zu Jonathan, doch er schüttelt den Kopf, unwillig fast.
»Lockwood Manor ist nicht meine Angelegenheit. Vater muss selbst wissen, was er tut«, sagt er, und wieder mache ich mir Sorgen, weil er sich dem Earl gegenüber so kompromisslos ablehnend verhält.
Aber zumindest redet er jetzt wieder mehr als zwei Worte mit mir, was ja schon mal ein Fortschritt ist.
Schritte erklingen plötzlich draußen auf dem Hof – eilige Schritte –, und einen Augenblick später kommt Alexander in den Stall. Er blickt sich suchend um und lächelt erleichtert, als er uns entdeckt.
»Da seid ihr ja! Ich habe euch schon überall gesucht«, ruft er ziemlich außer Atem, offenbar hatte er es beim Suchen eilig.
»Was ist denn los?«, will Jonathan wissen, während wir ihm entgegen gehen.
»Die Polizei ist da«, erklärt Alexander. »Sie haben den Einbrecher geschnappt und konnten die Beute vollständig sicherstellen. Es ist alles wieder da!«
20
Die Nachricht scheint Jonathan sichtlich zu erleichtern, denn zum ersten Mal seit dem Frühstück lächelt er wieder.
»Gut«, sagt er in einem so zufriedenen Ton, dass ich mich wundere. Schließlich sind es die Sachen seines Vaters gewesen, die gestohlen wurden, und da er normalerweise auf alles, was den Earl betrifft, extrem feindselig reagiert, finde ich diese Reaktion merkwürdig.
Vielleicht war etwas Wichtiges dabei, das ihm etwas bedeutet, denke ich, komme aber nicht dazu, ihn danach zu fragen, weil die Männer es eilig haben und so schnell zurück ins Haus laufen, dass ich kaum mit ihnen Schritt halten kann. Doch an der Tür zum Speisezimmer, in das Alexander uns führt, bleibt Jonathan stehen und blickt zurück, wartet, bis ich da bin und lässt mir den Vortritt. Unsere Augen treffen sich, als ich an ihm vorbeigehe, doch ich kann den Ausdruck darin immer noch nicht lesen, bekomme nur Herzklopfen davon. Zumindest hat er nicht vergessen, dass ich da bin, denke ich.
Im Speisezimmer, einem länglichen Raum mit wuchtigen Mahagoni-Möbeln, haben wir am Freitagabend in kleinem Kreis gegessen, deshalb kenne ich es und wundere mich im ersten Moment, dass der Earl die Polizisten ausgerechnet hier empfängt. Wäre der rote Salon dafür nicht besser geeignet gewesen? Doch der Grund wird mir klar, als ich das Zimmer betrete: auf dem breiten Esstisch liegen Papiere und Geldscheine und mehrere unterschiedlich große Schatullen – offenbar die Dinge aus dem Besitz des Earls, die bei dem Einbrecher gefunden wurden.
Die beiden Polizisten, die anders als die Beamten gestern in Zivil sind, stellen sich uns als Detective Chief Inspector Cromley und Detective Sergeant Withers vor, und der Unterschied in ihrem Rang wird auch an ihren jeweiligen Tätigkeiten deutlich. Der DCI, ein älterer Mann mit schütterem Haar, sitzt auf einem Stuhl am Tisch und berichtet dem Earl die Einzelheiten der Verhaftung, während der schlanke, dunkelhaarige Sergeant steht und eine Liste – vermutlich die Aufstellung, was alles gestohlen wurde – mit den vorhandenen Gegenständen auf dem Tisch abgleicht.
Ich bin ein wenig erschrocken, als ich den Earl sehe, denn der wirkt von den gestrigen Ereignissen noch deutlich mitgenommen, geht unruhig im Zimmer auf und ab und scheint keine Ruhe zu finden. Sarah, die auch da ist und mit blassem Gesicht in einem Sessel am Fenster sitzt, wirft ihm besorgte Blicke zu.
»Der Name des Täters ist Andrew Jenkins«, verkündet der DCI, nachdem er uns begrüßt hat, und sieht den Earl an. »Ich denke, der Name wird Ihnen etwas sagen.«
Schockiert blickt der Earl ihn an. »Allerdings. Jenkins war bei uns angestellt. Aber wir mussten ihn entlassen, weil er gestohlen hat.«
Der DCI nickt. »Das passt. Er ist einschlägig vorbestraft wegen Einbruchsdelikten und sozusagen ein alter Bekannter, den wir dank der guten Beschreibung von Miss Lawson recht schnell identifizieren konnten. Er wurde noch in der Nacht festgenommen.«
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