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Coltan

Coltan

Titel: Coltan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Andress
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dass ich seit mehr als
einem Tag nichts gegessen hatte. Mein Kühlschrank barg nur noch Ketchup und ein
seit 14 Tagen abgelaufenes Joghurt. Der Ausweg hieß Marita.
    Maritas Interieur erinnerte an Kneipen, die es
hier schon lange nicht mehr gab, mit Soleiern und Gewürzgurken auf klebrigen
Theken und all denen, die immer da waren. Heute kamen vor allem die, die es bis
hier geschafft hatten auf dem langen Weg durch eine der letzten Städte, der das
letzte Jahrhundert noch hier und da anzusehen war, und sei es als Ergebnis penibler
historischer Rekonstruktion, die noch das letzte Einschussloch konservierte.
Nur an die Soleier hatte keiner gedacht.
    Marita sah mich auf den Tisch in der Ecke
zusteuern. Ein kurzes Nicken, dann drehte ich das „Reserviert“-Schild zur Wand.
Sie beobachtete mich abwartend, drehte den Kopf Richtung Zapfhahn. Die grauen
Haare mit einem Tuch streng nach hinten gebunden war sie Hoffnung und Erlösung
zugleich.
    Ich schüttelte den Kopf. Es gibt kein
Handzeichen für Cola, also kam sie hinter ihrem Schutzwall hervor.
    „Dachte schon, ich seh Dich nicht mehr, bevor
ich Konkurs anmelde.“
    „So schlimm?“
    „Ach, die Mieten. Denken alle, hier würden die
Scheine nur so regnen. Aber, wir verkaufen zuviel Kaffee mit Milch und zu wenig
Essen und Bier. Wasser mit einer Scheibe Zitrone läuft auch nicht schlecht.“
    „Cola, groß, mit viel Eis. Was gibt´s zu essen?“
    „Nix Neues. Also Schnitzel?“
    Ich brummte zustimmend.
    „Immer noch Bulle?“
    „Mmh.“
    „`n Tipp von ´ner alten Frau: Dir fehlt ´ne
ordentliche Gesichtsmaske oder was anderes, das strafft.“
    Wenn sie lächelte, wollte ich immer nach ihrer
Hand greifen, sie an meine Wange pressen. Doch jedes Mal, wenn ich kurz davor
war, machte sie auf dem Absatz kehrt und präsentierte ihre gut 20 Jahre jünger
erscheinende Hälfte. Sie wäre eine gute Beichtmutter, aber ich hatte mir das Beichten
abgewöhnt. Lange schon.

19
    Montag.
    Früh am Morgen war es noch erträglich in
unseren nach modernsten Standards in einem architektonisch ansprechenden
Zweckbau geplanten Büros. Leider waren die Büros nicht nur geplant, sondern
auch gebaut worden. Himmelwärts stürmende Glasfronten, soweit das Auge reicht,
mit funktionaler Südausrichtung sorgten spätestens ab zehn Uhr für ein
subtropisches Klima ohne Aussicht auf Abkühlung. Die versprochene und schon
vorab prämierte, weil ökologisch-energetisch sparsame integrierte selbständige
Gebäudebelüftung hatte leider nie ihren Dienst aufgenommen. Seither mühen sich
Gutachter dem Sonnenstand folgend, diesem unmöglich erscheinenden Dienstausfall
auf die Spur zu kommen.
    Wir hatten uns für 7 Uhr verabredet. Mader
stand mit ihrem Kaffeebecher vor dem Flip-Chart und begrüßte mich lächelnd. Sie
hatte einen Plan.
    „Also, sie hat gut gegessen, irgendwann
zwischen 22 und 24 Uhr. Man hat ihr Liquid Ecstasy gegeben, sie dann umgezogen,
zum Kanal gefahren und ertränkt. Unser einziger Anhaltspunkt: ihr Abendessen.“
    „Dann klappern wir jetzt sämtliche Berliner
Restaurants der gehobenen Preisklasse mit ihrem Foto ab und mit etwas Glück
haben wir in einem Jahr einen Kellner gefunden, der sich an sie erinnern kann.“
    Mader gewährte mir nicht mal einen mitleidigen
Blick, sondern referierte ungerührt weiter.
    „Die werden sie ja nicht im Damenklo umgezogen
haben, wo dauernd jemand reinkommt. Und außerdem: dicke Bohnen.“
    Gut so, ein wenig sticheln und sie kam in Fahrt.
Natürlich suchten wir nach einem Hotel mit Gourmetküche, keine Absteige. Donnerstag,
ab 20 Uhr.
    „Vielleicht hatte sie einen Freund, der sie
bekocht hat. Dann können wir gleich aufhören zu suchen. Aber ich tippe eher auf
eins der besseren Hotels, ab drei Sterne aufwärts.“
    Sie sah mich triumphierend an.
    „Warum nicht, könnte funktionieren.“
    Ich drehte mich um und begann in meinen
Unterlagen zu blättern, nur keine auffällige Zustimmung, immer schön ruhig
bleiben. Jetzt war ihr doch eine gewisse Enttäuschung anzumerken, sie hatte wohl
mehr Begeisterung erwartet. Missmutig riss sie das oberste Blatt herunter und
ließ es geräuschvoll im Papierkorb verschwinden.
    „Die Hotels?“
    Mader griff wortlos nach dem Telefon und
Minuten später spuckte das Fax die Anschriften aller Herbergen der Stadt aus.
Sauber geordnet nach Sternen. Eigentlich war ich mir sicher, dass wir mit den
5-Sterne-Häusern anfangen sollten, aber Mader sollte selbst entscheiden. Ich
musste vorsichtig sein, nicht

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