Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Coltan

Coltan

Titel: Coltan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Andress
Vom Netzwerk:
voreilig.

20
    Er war der Chef, er allein. Er hatte es
geschafft. Ahrendt legte die Beine auf den blank polierten Tisch, griff nach
der WELT und überflog die Schlagzeilen. Einzig die altertümliche
Telefonanlage wies darauf hin, dass er nicht immer sein eigener Herr war,
zumindest, wenn es um Beschaffungsfragen ging. Noch immer war Siemens der Ausstatter deutscher Behörden. Ein Lämpchen signalisierte den internen
Anrufer. Ahrendt drückte die Freisprechtaste: „Ja?“
    „Es gibt ein Problem.“
    „Ich höre.“
    „Sie glauben nicht an einen Unfall.“
    „Wer, diese kleinen Stadtbullen?“
    „Ja, da stochern zwei im Nebel und wollen nicht
aufhören.“
    „Und warum?“
    „Keine Ahnung. Bislang weiß ich nur, dass es
zuerst hieß: ertrunken ohne Fremdeinwirkung. Aber jetzt ermitteln sie immer
noch.“
    „Ja, dann versuchen Sie rauszukriegen warum!“
    „Und wenn wir sie einfach stoppen?“
    „Wie denn? Soll ich mich vielleicht hinstellen
und sagen: Lieber Kollege, wir haben gesehen, wie die Braut rein ist ins Hotel.
Wir wissen auch, wo sie hinwollte. Warum wir das wissen, geht dich nichts an. Und
das ist auch schon alles. Ach nein, eins noch, lass die Finger davon, und zwar
flott.“
    „Wir könnten auf eine Art übergesetzlichen
Notstand verweisen?“
    „Ja, und danach organisiere ich eine Führung
durch unser kleines Reich. Hat der Kollege bestimmt Interesse dran. Und wenn
wir damit fertig sind, erklären wir ihm auch gleich noch, was wir sonst so
treiben und warum.“
    „Verstanden.“
    „Das will ich hoffen. Spätestens morgen um zehn
will ich wissen, was da läuft und warum!“

21
    „Berlin, a city that never sleeps!“ - schöner
Spruch, besonders für die Hoteliers.
    240 Hotels standen auf der Liste, davon ein
gutes Dutzend First-class-Häuser und 193 mit drei und vier Sternen. Mader
überschlug den Zeitaufwand: wenn es besonders schlecht läuft: 207 Telefonate
a´5 Minuten um die Grunddaten abzufragen. Also 1035 Minuten oder 17 Stunden und
15 Minuten.
    Zwei Tage - wenn alles gut lief. Ich hörte
Martens schon stöhnen, was für ein Aufwand. Mader griff sich den Stapel mit den
3-Sterne-Häusern. Ich übernahm die verbliebenen Seiten. Hummer und dicke Bohnen.
Ich hoffte inständig auf einen Hummer-Engpass letzten Donnerstag und wählte die
erste Nummer.
    Womit ich nicht gerechnet hatte, war der Erfolg
der unzähligen Sicherheitsberater. Wie man denn sicher sein könne, dass ich tatsächlich
bei der Polizei arbeite, war regelmäßig die erste Frage. Und, nein, der
zuständige Küchenchef sei gerade aushäusig, die Karte wechsle täglich, und die
Namen von Mitarbeitern gebe man telefonisch nicht weiter, private Telefonnummern
schon gar nicht. Also, warten Sie auf den Küchenchef. Natürlich werden wir ihre
Nachricht weiterleiten. Stilvoll, hanseatisch hochdeutsch mit leichtem
Understatement. Troll dich, bei uns logieren keine Kriminellen.
    Mader mit ihrer einschmeichelnden warmen Art
hatte mehr Erfolg. Sie flirtete sich von einem Hotel-Manager zum nächsten. Leider
in der falschen Spielklasse. Zumindest war Hummer mit dicken Bohnen kein Allerweltsgericht.
    Um fünf sahen wir uns tief in die Augen. Das
Thermometer stand bei 38 Grad. Feierabend.
    Fünfzehn Hotels wollten zurückrufen, wenn der
Chef de Cuisine abkömmlich sei. Zehn Hotels schickten mich auf die Reise durch
die Welt der Warteschleifen, bis ich entnervt aufgab. Und das eine oder andere
Haus hatte es offensichtlich nicht mehr nötig, auf Anrufe zu reagieren. Zwölf
erwarteten einen persönlichen Besuch, mindestens jedoch ein offizielles
Anschreiben, acht führten keinen Hummer, versicherten jedoch, ihn jederzeit
bestellen zu können und eine Empfangsdame erklärte sich sofort bereit, mir ihre
Suiten vorzuführen, gern auch am späteren Abend.

22
    Als ich Lily zum ersten Mal begegnete, war sie
16. Sie hatte ein Veilchen, krümmte sich und würgte weißlichen Schleim heraus.
Kurfürstenstraße, auf dem Parkplatz vorm Möbelhaus. Ich saß in meinem Auto,
wartete auf die Kollegen. Wir sollten den Straßenstrich aufräumen.
    Irgendein Politiker fuhr regelmäßig da lang und
hatte Anstoß genommen an den Junkies, halben Kindern noch, die hier auf den
Strich gingen. Das Konzept hieß: Junkie- oder Nutten-Jogging. Hatten wir die
Kurfürstenstraße im Griff, trafen sich die Vertriebenen am Breitscheid-Platz, bis
sich auch dort eine hochgestellte Persönlichkeit unangenehm belästigt fühlte.
Hatten wir dort aufgeräumt, zogen alle drei Ecken

Weitere Kostenlose Bücher