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Coltan

Coltan

Titel: Coltan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivo Andress
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Franken.
    Noch konnte ich umkehren, Mader alles
überlassen. Millionen Beziehungen leben vom Nicht-Wissen oder von der
kultivierten Lüge, auch über den Tod hinaus. Nicht wissen wollen, heißt auch:
leben können. Die Wahrheit ist nur selten ein sympathischer Begleiter, meist
nützt sie nur sich selbst, die eiskalte Prinzipienreiterin. Vergessen heißt
vergeben? Blödsinn? Verschweigen heißt hoffen, auf ein Leben trotz alledem,
trotz Irrtümern, Fehltritten, Abwegen. Die Wahrheit in ihrer Brutalität - sie
kann nichts ungeschehen machen, auch nicht das Tag für Tag Bereute. Glücklich
die, denen jede Versuchung erspart blieb? Arme Schweine, sie hatten nichts vom
Leben!
    Für 13 Uhr hatte ich mich auf dem Revier
angemeldet.
    Hanschke erwartete meinen Anruf. Sollte sich
unsere Vermutung bestätigen, würde er alles Weitere veranlassen.
    Zur Vorführung am vergangenen Abend gehörte
auch eine angeregte Diskussion über die Route. Laut dozierend hatte Mader im Straßenatlas
geblättert, Musik ausgewählt und sich dann flüsternd an mich gedrängt. Ihr Haar
kitzelte meinen Hals, ich spürte die Wärme ihres Körpers. Sie war zum Greifen
nah, doch in mir regte sich nichts.
    Während unsere grauen Begleiter sich unentdeckt
wähnten, schwammen sie in einem engmaschigen lückenlosen Überwachungsnetz. So jedenfalls
stellte ich mir das Prozedere vor.
    Drei Mal klingeln: Der Plan wird umgesetzt! Jetzt
hatte sie es dreimal klingeln lassen, bevor sie auflegte.
    Alles war logisch und das „Wie“ blieb Hanschkes
Sache. Mader wollte, dass sämtliche Mobiltelefone aus den Zellbereichen erfasst
werden, in denen ich mich gerade aufhielt. Von Zelle zu Zelle. Dann sollten all
jene herausgefiltert werden, die quasi den gleichen Weg nahmen wie ich. Bis
nach Berlin. Viele würden nicht übrig bleiben. Technisch möglich, aber ich
bezweifelte, dass wir je darüber würden reden dürften, und wählte seine
Büronummer.
    „Gallert hier.“
    „Gut angekommen?“
    „Ja. Ich wollte nur fragen, ob Sie gestern
zufällig ihren Kugelschreiber bei uns vergessen haben, einen goldenen mit
schwarzem Perlmutt?“
    „Ach, der ist bei Ihnen?“
    „Im Büro, ja.“
    „Danke, hole ich morgen ab.“

52
    Van Broiken und Reutter saßen in ihrem Omega
und sahen sich an. Was sollten sie von dem Telefonat halten? Ein Kugelschreiber,
ein Code? Reutter spulte die Aufzeichnung zurück.
    „Soll ich Ahrendt anrufen?“, er wirkte
unsicher.
    „Und was willst Du ihm sagen?“
    „Weiß nicht. Aber, er sagt kein Wort über den
Fall, nichts. Ruft seinen Staatsanwalt an und hat kein anderes Problem als
einen vergessenen Kugelschreiber?“
    Van Broiken dehnte sich auf dem Beifahrersitz
und strich sich die Haare hinter die Ohren.
    „Glaubst Du, die ahnen was?“
    Reutter kramte das Protokoll der Nachtschicht
aus einem Ordner. Mader war mit Gallert in dessen Wohnung gefahren. Sie saßen eine
Weile auf dem Balkon, hörten Musik, dann nur noch Stöhnen, Kichern, Schnarchen.
Später war sie allein mit einem Taxi davongefahren.
    „Vielleicht hat Gallert doch was gemerkt? Was,
wenn sie uns genau das haben wissen lassen, was wir erfahren sollten? Den Ort,
dass Gallert mit ihrem Auto fahren würde und sie sich um den Rest kümmert. Im
Büro. Fröhliches Gequatsche über dies und das und danach eine Stunde Ruhe, ein
bisschen Stöhnen fürs Protokoll. Wo ist die Kleine überhaupt?“
    Van Broiken zuckte mit den Schultern.
    „Soll ich im Büro anrufen?“
    Sie wählte die Nummer, wartete. Nach dem
fünften Klingeln schaltete sich Maders Anrufbeantworter ein. Sie legte sofort auf
und rief Ahrendt an.
    „Ja?“, kurz und abgehackt. Sie fasste sich kurz
und hörte, wie er die Tür öffnete und über den Gang lief.
    „Die Nummer?“
    Van Broiken diktierte Maders Mobilfunknummer,
im Hintergrund hörte sie das Klicken einer Computertastatur.
    „Verdammter Mist!“, Ahrendt tobte.
    „Wo stehen Sie?“
    „Auf der Hauptstraße, gut einen Kilometer hinter
dem Ortseingang.“
    „Warum steigen Sie nicht aus und trinken mit
Fräulein Mader einen Früchtetee? Sie steht nur eine Ecke weiter.“
    Ahrendt gab die genaue Position durch und legte
auf.
    Van Broiken justierte die Kamera auf dem
Rücksitz, und sie fuhren los, stur nach vorne blickend. Kurz vor der Kreuzung
drosselte Reutter das Tempo, auf dem separaten Kameramonitor sahen sie einen
Volkswagen mit dem Kennzeichen einer Münchner Mietwagenfirma. Van Broiken gab die
Nummer ans Büro durch. Kaum eine Minute später kam die

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