Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Coma - Niven, J: Coma - The Amateurs

Coma - Niven, J: Coma - The Amateurs

Titel: Coma - Niven, J: Coma - The Amateurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
Vom Netzwerk:
weiter, wie seine Enkeltochter zu sagen pflegte.
    Berts Pfeifen war das Pfeifen eines Mannes, der einundachtzig Jahre auf dem Buckel hatte – mit siebenundsiebzig hatte er an guten Tagen immer noch kaum mehr Schläge gebraucht, als er Lenze zählte -, und auf den im Clubhaus ein frisch gezapftes Pint wartete. Er legte seine Kulturtasche und das Handtuch auf der Fensterbank ab und zog sich das Poloshirt über den Kopf. Bloß eine schnelle Katzenwäsche. Achseln und Gesicht. Er wollte gerade den Wasserhahn aufdrehen, als er es hörte: erst ein saugendes Atemgeräusch, dann ein Wimmern. Seine Hand lag still auf dem Hahn, und er lauschte einen Moment. Nichts, nur das Geräusch des Wassers, das die lange Porzellanwand des Urinals herunterrieselte. Und dann, gerade als er den Hahn wieder aufdrehen wollte, ein weiteres gedämpftes Geräusch. Als würde jemand mit aller Gewalt versuchen, ein Niesen zu unterdrücken. Vom Waschbecken wanderte Bert vorsichtig durch den Bogengang in den angrenzenden Raum, in dem sich drei Toilettenund, am hinteren Ende, zwei Duschkabinen befanden.
    »Hallo?«, rief Bert.
    Wieder das saugende Einatmen, dann, als hätte jemand den Stöpsel draufgemacht, Stille. Bert ging behutsam in Richtung der einzigen verschlossenen Toilettenkabine. »Alles in Ordnung da drinnen?«

    Ein Schniefen. Gefolgt von einem geflüsterten »Aye«.
    »Wer ist denn da drin?«, fragte Bert.
    Nach einer langen Pause ertönte ein metallisches Klappern, der Bolzen des Schlosses wurde zurückgezogen, und die Türe schwang auf. Berts erster Gedanke war: Wer ist gestorben?
    Gary war ein Wrack: sein Gesicht tränenverschmiert, ebenso wie die Vorderseite seines blassblauen Golfhemdes. Seine Augen waren verquollene, rote Schlitze. Er sah aus wie Berts Enkelkinder, wenn sie hingefallen waren und sich wehgetan hatten. Waren die Schleusentore erst einmal geöffnet, ließen sie sich nicht mehr verschließen.
    »Gary, Junge«, sagte Bert, jetzt einen ernsthaft besorgten Unterton in der Stimme, »was ist denn passiert? Es ist doch hoffentlich nicht deine Mutter …«
    Er legte eine Hand auf Garys Schulter. Das half. Doch die Wärme dieser simplen menschlichen Berührung schubste Gary endgültig über die Klippe, und er krümmte sich abermals unter heftigem Schluchzen.
    »W-wie-s-so k-krieg ich es nicht hin, Bert?«
    »Was hinkriegen?«
    »Ich kri-krieg … e-e-es …« Er bekam es kaum raus.
    Und Bert verstand.
    Von einem Trauerfall abgesehen, gab es nur eine einzige Sache, die einen erwachsenen Mann in einen solchen Zustand versetzen konnte.
     
    »Hier.« Bert reichte Gary einen kleinen Edelstahlflachmann. Gary nahm einen Schluck Whisky. Die beiden Männer saßen schweigend auf der hölzernen Bank und blickten auf das fünfte Grün und das sechste Tee.
    Es war tatsächlich noch ein unglaublicher Nachmittag geworden: Das Blau des wolkenlosen Himmels hatte die Farbe einer tropischen Lagune, eine leichte Brise wehte durch die Blätter
der silbernen Birken am Rande der Schlucht rechts vom sechsten Tee und zupfte sanft an der ramponierten gelben Fahne auf dem fünften Grün. Bert nippte an seinem Whisky, während die beiden Männer den Spielern zusahen, die sich auf den weiter entfernten Fairways bewegten: wie rote, weiße und gelbe Punkte in einem smaragdgrünen Meer.
    »Entschuldige, Bert«, sagte Gary schließlich und dachte gerade noch rechtzeitig daran, ihn »Bert« und nicht »Mr Thompson« zu nennen. Er kannte Bert, seit er ein Baby war. Er hatte mit Garys Dad Golf gespielt.
    »Ach, vergiss es, Junge«, sagte Bert und schraubte die Verschlusskappe wieder auf den Flachmann. »Glaub mir, du bist nicht der erste Mann, der sich nach einer Runde Golf in einer solchen Verfassung befindet. Und ganz sicher wirst du auch nicht der letzte sein.«
    »Irgendwie werde ich einfach nicht besser. Ich übe, ich lese alles, was ich in die Finger kriege, und ich verstehe auch ganz genau, was ich falsch mache. Bei jedem Schlag weiß ich im Prinzip exakt, was ich zu tun hätte, ich kann bloß …«
    Bert war seit fast siebzig Jahren Golfer. Und er hörte das alles, weiß Gott, nicht zum ersten Mal: Spieler mit hohen Handicaps, die vor Wut und Verzweiflung in Tränen ausbrachen. Grund dafür war etwas, was im Kern die Kluft zwischen Wollen und Können widerspiegelte. Es war das gängigste aller Probleme in der Kunst, und so viel stand fest: Bert Thompson betrachtete Golf als Kunst. Was manche Leute in Museen und Galerien fanden, fand Bert im Bogen eines

Weitere Kostenlose Bücher