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Coma - Niven, J: Coma - The Amateurs

Coma - Niven, J: Coma - The Amateurs

Titel: Coma - Niven, J: Coma - The Amateurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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einen kurzen, heißen Strahl in seiner Hose gespürt und war dann, bevor er überhaupt wusste, was er tat, aus dem Auto gesprungen, über den Zaun hinter der Parkbucht gehechtet und stolpernd durch den stockdunklen Wald gerannt. Während der Dünnpfiff die Rückseite seiner Beine herunterlief.
    Lee hatte sich wochenlang tot gestellt. Er hatte panische Angst, der Mörder von Tits könnte mitbekommen, dass es einen Zeugen gab. In der Zwischenzeit beherrschte die »Hinrichtung nach Gangstermanier« die Schlagzeilen: Es gab einen kurzen Bericht in den Abendnachrichten, und der Daily Standard veröffentlichte eine Jubelmeldung, die schlussfolgerte, dass es nun »einen Drogendealer weniger in Schottland« gab.
    Die kleine Audrey Harrison hatte Lee und Tits ein paar Stunden vor der Schießerei zusammen durch Kilwinning fahren sehen, und langsam aber sicher machten die ersten Gerüchte die Runde: Lee und Tits wären losgezogen, um einen Deal zu
machen, sie hätten sich in die Haare bekommen, und Lee hatte Tits aus nächster Nähe ins Gesicht geschossen. Lee wurde von der Polizei zum Verhör vorgeladen, aber sie konnten ihm nichts nachweisen.
    Er stellte fest, dass ihm im Bam plötzlich so viel Respekt entgegengebracht wurde, dass man an der Bar Platz für ihn machte. Wenn er den Pub betrat, spürte er die verstohlenen Blicke und das Geflüster um sich herum. Da Tits McGee nicht nur als Drogendealer bekannt, sondern auch als Kinderschänder verschrien war, schien die Polizei keinerlei Interesse daran zu haben, seinen Mörder dingfest zu machen. Also entschied Lee, dass es seiner Reputation keinesfalls schaden würde, wenn die Geschichte weiterhin die Runde machte. Die Wahrheit, dass er sich in die Hosen gemacht hatte und dann durchs Unterholz getürmt war, wäre weitaus weniger schmeichelhaft gewesen.
    »Heckst du gerade irgendwas aus?«, hatte Alec ihn gefragt.
    »Nein, Alec. Ich bin doch kein Idiot«, hatte Lee geantwortet und mit dem Kopf geschüttelt.
    »Alles klar«, hatte Alec erwidert. »Wir hätten da nämlich was für dich.«
    Lee Irvine hatte einige üble Dinge ausgefressen. Er hatte Drogen an Minderjährige verkauft. Schlechten Stoff. Stoff, den er mit Abführmittel, Babypuder, Ziegelstaub und Gips verschnitten hatte. Er war in fremde Häuser eingestiegen und mit Videorekordern und Schmuckschachteln unterm Arm durch dunkle Gärten gekrochen. Er hatte Autos gestohlen, war in kleinere Betrügereien, Geldwäsche und Passdiebstahl verwickelt gewesen. Ja, ziemlich übles Zeug. Aber jemanden umbringen? Irgendeine arme Frau, die er nicht einmal kannte?
    Wenn Lee an seinen Dad im Himmel dachte, malte er sich aus, wie er auf einer großen, flauschigen Wolke lag und fernsah oder in der Zeitung blätterte. Gerade stellte er sich allerdings vor, wie sein Dad dabei zusah, wie sein ältester Sohn einen Umschlag
prallvoll mit Fünfzigern aus dem Jackett zog, vier davon herausnahm und den Rest ganz hinten in der Sockenschublade versteckte. Dann stellte er sich vor, wie sein Vater, der für seine paar Kröten sein ganzes Leben lang hart gearbeitet hatte, begriff, woher das Geld stammte und wofür er es bekommen hatte. Da Lee seinen Vater nie hatte weinen sehen, konnte er sich diese Reaktion leider nicht vorstellen. Stattdessen sah er seinen Dad zornig und verärgert vor sich, wie er ihn so oft in jenen letzten Jahren erlebt hatte, nachdem Lee auf die schiefe Bahn geraten war. Diese Vorstellung machte es ihm leichter: Sich gegen die Zornigen zur Wehr zu setzen war einfacher als gegen die Traurigen, die Enttäuschten. Und es gab noch etwas, das ihm half: Lee zog sich eine dicke Line Kokain durch die Nase, und das Bild seines Vaters zerplatzte. Wie die Seifenblasen seiner Kindheit, die immer dieses leichte Prickeln hinterließen, wenn sie im Nichts zerstoben.
    Aufgedreht vom Koks wanderte Lee im oberen Stockwerk des Hauses umher. Okay, es war eine Sozialwohnung, viel Haus zum Umherwandern gab es nicht: bloß ein Bad und drei winzige Zimmer. Über einer Stuhllehne hing die Hose von Deltas Schuluniform. Die Knie waren durchgescheuert und bereits mehrfach gestopft. Einer von Styx’ Turnschuhen starrte ihn mit eingerissener Sohle an wie ein Fisch mit offenem Maul. Unten im Flur stand Amazons kaputtes Fahrrad. Der DVD-Player funktionierte auch nicht mehr. Sie waren zwei Monate mit den Raten im Rückstand. In Urlaub fuhren sie nie. Es gab keinen Zweifel: Die Ränder seines kleinen Königreiches fransten immer weiter aus. Aber was sollte er

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