Coma - Niven, J: Coma - The Amateurs
sahen.
»Jesusmaria«, sagte Stevie.
Stevie war niemand, dem die Schönheit der Natur allzu leicht die Sprache verschlug. Und ein Golfkurs war genau genommen auch nicht wirklich Natur, sondern Natur, die man auf ein paar Quadratkilometern in Formen gezwungen hatte, welche der schrägen Vorstellung entsprungen waren, die ein paar seltsame Vögel von Spaß hatten. Doch just in diesem Augenblick schien es, als hätte der Herrgott höchstpersönlich diesen kleinen Abschnitt der schottischen Küste mit sanfter Hand von etwas ohnehin schon Wunderschönem in etwas nahezu Überirdisches verwandelt. Ein seidiger Schimmer aus Tau überzog glitzernd den gesamten Platz, hier und da durchzogen von den Reifenspuren der Greenkeeper, die noch ein letztes Mal alles überprüften, den Sand rechten und kleine Steine von den Greens harkten. Über den Sanddünen am Rande des Platzes hing ein silberner Nebel. Die Luft war kühl und still, kein Lüftchen zupfte an den Fahnen.
Ihre Startzeit war so früh, dass sich, als sie das erste Tee betraten, ganze fünf Zuschauer um sie versammelten, darunter auch Cathy und Aunt Sadie, die Gary breit grinsend ihre erhobenen Daumen präsentierten. Neben ihnen nickte ihm Auld Bert mit heiligem Ernst zu, der das erste Mal seit den späten Siebzigern wieder die Open besuchte. Dr. Robertson lächelte. Er hatte sich freigenommen, um hier sein zu können. Man weiß ja nie. Und da drüben, bei Robertson, stand April und winkte ihm mit einer silbernen Thermoskanne voller Kaffee zu. »Viel Glück,
mein Junge!«, kreischte Cathy über den dürftigen Applaus hinweg.
Ein Mann kam zu ihnen herüber und schüttelte Gary wie bei einem Geschäftsabschluss die Hand. Er war Ende vierzig, trug eine karierte Hose und eine leuchtend rote Wollweste und sprach mit amerikanischem Akzent, dem gedehnten Singsang des Südens. »Crawford Koon«, stellte er sich vor. Der Name war Gary geläufig. Ein alter Hase. War seit den frühen Achtzigern auf der Tour. Hatte aber nie etwas Großes gewonnen.
Das dritte Mitglied ihres Dreier-Flights war ein junger englischer Profi, der es über die Qualifikation ins Turnier geschafft hatte. Dean Coffey war Anfang zwanzig und mit den unvermeidlichen fluoreszierenden Chinos sowie einem dazu passenden Polohemd bekleidet. Wie für Gary waren es auch für ihn die ersten Open.
»Alles klar, Alter!«, sagte er und schüttelte Garys Hand.
»Alles bestens. Und selbst?«, fragte Gary.
»Mach mir gleich in die Hose, Alter!«, erwiderte Coffey.
»Gentlemen?«, sagte der Starter. »Wenn Sie bereit sind …«
Stevie reichte Gary den Driver. »Keine Extravaganzen. Hau den einfach in die Mitte.«
»Am Abschlag, vom Ravenscroft Golf Club, Ardgirvan, Amateur-Teilnehmer Mr Gary Irvine.«
Verhaltener Jubel und Pfiffe ertönten, als Gary auf das Tee trat. »Du schaffst das, mein Junge!«, rief Sadie. »Gary! Gary!«, grölte seine Mum. Gary grinste verlegen zu ihnen hinüber.
»Hast deinen eigenen Fanclub dabei, was?«, sagte Coffey.
Gary teete den Ball auf, und alle verstummten. Er machte ein paar lockere Übungsschwünge, um ein Gefühl für das Tempo zu bekommen, und blickte dann die Bahn entlang. Das erste Loch von Royal Troon, das »Siegel«, war ein Par vier, das vom Clubhaus weg verlief und dann einen leichten Knick nach links machte. Wenn der Abschlag von der Ideallinie abwich, folgte die Strafe
auf dem Fuße: Denn rundherum standen dichter Stechginster und Hügel voller Strandhafer. Mit dem Meer unmittelbar rechts des Spielfeldes war schon so manche Runde aufgrund eines zu stark angeschnittenen oder sogar aufgrund eines leicht gepushten Drives unerwartet früh zum Desaster geworden. Gary spielte den Ball knapp an die rechte Ecke des Fairways. Gemeinsam beobachteten sie, wie er im Sinkflug langsam nach links driftete.
Zu langsam.
Der Ball landete am rechten Rand der Bahn, machte einen kräftigen Satz nach rechts und verschwand.
»Oh oh«, sagte Stevie und verwendete damit zum ersten Mal an diesem Tag das zweisilbige Golfer-Kürzel für ausweglose Situationen. Na gut, dachte Gary, der erste Schlag hat nicht so ganz gesessen. Was soll’s …
»Also«, sagte Masterson. »Ich habe gerade eingecheckt. Heute Morgen werden wir wohl einen Spaziergang über den Campus machen. Da gibt’s einen Haufen Gebäude, sagt der Junge, die sind richtig scheiß … alt. Historisch wertvoll und so. Dann gehen wir ins Kino und anschließend einen Happen essen. Der Junge steht wohl auf diesen japanischen
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