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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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ist. Die Kleine liegt bäuchlings auf dem
    Bett der Lankabouts, das Kleid über die Hüften
    hochgeschoben, das Höschen zu den Waden herun-
    tergezogen.
    Ihr Mörder muß sie mit einem Kissen erstickt ha-
    ben, während er sie vergewaltigt hat.

    11

    Zentimeter um Zentimeter habe ich mit Serdj Anis-
    sas Appartement im Cinq Étoiles durchgekämmt.
    Nur Spuren einer Kamera hinter den Nippessachen,
    was vermuten läßt, daß die Liebesspiele der Klei-
    nen gewissenhaft dokumentiert worden sind. Sonst
    nichts. Kein Tagebuch, kein Telefonverzeichnis,
    nicht einmal ein Kalender. Der Schmuck ist nicht
    angetastet worden, aber die Familienfotos sind
    verschwunden.
    Wir suchen unter den Teppichen und kratzen die
    hintersten Winkel der Schubladen aus, um einen
    Manschettenknopf oder ein Stück Fingernagel zu
    finden, die uns auf eine Spur bringen könnten: rein
    gar nichts.
    Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder hatte
    Anissa ein Softwareprogramm im Kopf installiert,
    oder jemand ist uns zuvorgekommen.
    Ich erwische den Etagenkellner, wie er uns
    durchs Schlüsselloch beobachtet. Auf frischer Tat
    ertappt, ist er bereit, mit uns zusammenzuarbeiten
    – auf seine Weise: er erinnert sich nicht, ob Anissa
    am Tag, an dem sie ermordet wurde, allein oder in
    Begleitung ausgegangen ist, schwört beim Haupt
    seiner Mutter, daß er sie für die Tochter einer rei-
    chen alten Schachtel gehalten und nicht das ge-
    ringste von ihren horizontalen Geschäften geahnt
    habe. Der Rest des Personals ist vom gleichen
    Schlag. Sie alle sind an großzügige Trinkgelder
    gewöhnt und schalten ihr Gedächtnis je nach der
    Spendierfreude der Fragenden an und wieder ab.
    Der Hoteldirektor begnügt sich damit, die Ach-
    seln zu zucken. Er erinnert sich nicht einmal mehr
    an die Kleine. Für ihn ist der Gast nur Mittel zum
    Zweck. Er hält den Laden in Gang wie ein Hotel-
    page oder ein Liftkabel. Er ist eine Zimmernummer
    oder eine Rechnung, für die die Buchhaltung zu-
    ständig ist. Wie er sich anzieht, was er sonst so
    treibt, ist dem Hotelier herzlich egal.
    Da ich im Limbes Rouges Hausverbot habe, war
    ich so naiv, Lino loszuschicken, sich dort unauffäl-
    lig umzusehen. Man weiß ja nie: auch ein blindes
    Huhn findet mal ein Korn.
    Lino ist unverrichteter Dinge zurückgekommen,
    mit leerem Blick und ebensolchen Taschen. Was
    mich nicht sonderlich wundert. Lino würde noch
    im Ozean auf dem Trockenen sitzen, wenn man
    seine Fähigkeiten als Rutengänger in Anspruch
    nehmen würde.
    Serdj durchstöbert den ganzen restlichen Tag die
    Archive. Währenddessen hänge ich mit dem Finger
    in der Nase in meinem Büro herum und lasse die
    Heldentaten einer Küchenschabe im Kampf mit
    meinen Schuhbändern ungerührt über mich erge-
    hen.
    Durch das Fenster blinzelt die Sonne auf mich
    herab. In der Ferne steht das kolossale Monument
    der Märtyrer kurz davor, sich in sein Grabtuch aus
    Gischt gehüllt vom Hügel herab ins Meer zu stür-
    zen.
    Ich folge dem Beispiel der Tüchtigen dieser
    Welt, die ihre Unfähigkeit nicht zugeben und so
    tun, als dächten sie nach, während sie dabei sind
    einzudösen. So spiele auch ich den Beschäftigten.
    Ein Chef schläft nicht, auch wenn er herzhaft
    schnarcht; er grübelt, er meditiert, er kontrolliert.
    Als ich gerade selig entschlummern will, kommt
    Serdj mit einem zerknitterten Photo herein und
    reißt mich brutal aus meinen Träumereien.
    „Vielleicht besteht da ein Zusammenhang!“
    Auf dem Photo sieht man Anissa Arm in Arm
    mit Haj Garne auf einer Gala. Sie lächelt und
    strahlt übers ganze Gesicht. Im Hintergrund erken-
    ne ich die nichtssagenden Züge der Limbes-
    Rouges- Chefin. Sie steht direkt hinter Mourad Atti.
    „Und was bringt uns das?“ frage ich gereizt.
    Serdj geht um meinen Schreibtisch herum und
    beugt sich über meine Schulter.
    „Das hier wurde am 29. Januar aufgenommen“,
    erklärt er.
    „Und weiter?“
    Meine zunehmende Lustlosigkeit bringt ihn aus
    dem Konzept.
    „Anissa hieß eigentlich Soria Atti. Mourad war
    ihr Cousin.“
    Ich halte mir die Hand vor den Mund, um ein
    Gähnen zu unterdrücken.
    Serdj wischt sich die Stirn mit einem Taschen-
    tuch ab. Er merkt, wie demotiviert ich bin, und
    weiß nicht, ob er seinen Bericht auf später ver-
    schieben oder fortfahren soll.
    „Mach ruhig weiter“, ermuntere ich ihn.
    „In der Nacht vom 29. zum 30. Januar bekam ein
    gewisser Abbas Laouer einen Herzinfarkt, als er
    sich in einem der Zimmer des Nachtclubs gerade
    seinen

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