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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Seine
    Bewegungen sind hektisch. Wie eine Alte, die ihr
    Gebiß zurechtrückt.
    „Wegen des Limbes Rouges .“
    „Ich hab mit der Sache nichts mehr zu tun.“
    „Ich schon.“
    Er betrachtet seine Zigarette und verliert sich ei-
    ne Weile in seinen Alpträumen.
    „Das ist ein Schießstand, Llob. Zu viele Hecken-
    schützen.“
    „Hast du deshalb aufgegeben?“
    „Ich bin zweiundfünfzig, habe acht Mäuler zu
    stopfen und keinen Groschen auf der Seite.“
    „Hat man dir gedroht?“
    Er wirft den Kopf mit einem ungesunden Lachen
    nach hinten.
    „Man droht nicht einem Nichts, einem Weniger-
    als-Nichts. Man setzt zwei Bengel auf ihn an, die
    jünger als seine eigenen Kinder sind, und die Sache
    ist erledigt.“
    „Wer ist ‚man’?“
    „Dein Problem. Ich bin ausgestiegen. Ich stehe
    auf, wann ich will, gehe schlafen, wenn ich Lust
    dazu habe, und wenn ich auch nicht jeden Tag die
    Nase nach draußen stecke, habe ich wenigstens den
    Trost, daß ich nicht meinen eigenen Schatten für
    einen Terroristen halten muß.“
    Verbittert drückt er die Zigarette im Aschenbe-
    cher aus. Seine Hände ballen sich zu Fäusten,
    trommeln gegen seine Knie. Minutenlang werde
    ich Zeuge eines seltsamen Pantomimenspiels.
    Dann findet er ansatzweise zu seiner normalen
    Verfassung zurück und entspannt sich.
    „Diese Leute haben nicht mehr Skrupel als eine
    Brechstange“, sagt er wie zu sich selbst. „Wenn du
    nur einmal nicht aufpaßt, wo du deine Finger
    hinsteckst oder den Fuß hinsetzt, haben sie dich
    schon erwischt, und ehe du auch nur merkst, wie

unvorsichtig du warst, tragen sie dich auf der
    Kehrschaufel hinaus. Die haben überall ihre Spitzel
    sitzen, in der Administration, unter deinen Kolle-
    gen, ja selbst bei dir im Kleiderschrank … Sie
    werden dich wie eine Motte zerquetschen.“ Er reibt
    mit einer vieldeutigen Geste Daumen und Zeige-
    finger gegeneinander. „Einfach so, zwischen zwei
    Fingern. Und danach gibt es dich nicht mehr. Du
    bist futsch. Einfach weg … Jetzt fragst du dich, ob
    ich nicht besser noch eine Weile bei den Verrück-
    ten geblieben wäre. Nun ja, du hast recht. Es muß
    einem schon was im Hirn fehlen, wenn man es
    wagt, in der Scheiße der Götter zu wühlen.“
    Er sieht sich suchend um, mit leerem Blick, auf
    der Nasenspitze eine Schweißperle. Seine Zigaret-
    tenschachtel ist leer. Er zerdrückt sie wütend und
    schleudert sie gegen die Wand …
    Der Polizist, auf den ich einmal so stolz war, er-
    regt nur noch mein Mitgefühl. Um etwas Druck
    von ihm zu nehmen, gehe ich wieder ans Fenster
    zurück. Das Viertel duckt sich verschämt und ver-
    schreckt hinter den schäbigen Wohnsilos. Die drei
    Kinder vergnügen sich inzwischen mit einem ande-
    ren Auto.
    „Hast du nicht zufällig irgendwo noch ein paar
    Unterlagen von dem Fall herumliegen?“
    „Kein einziges Blatt bekämst du davon. Wenn du
    deine alte Eselshaut riskieren willst, dann ohne
    meinen Segen.“
    „Ich habe da ein paar Namen auf meinem
    Schreibtisch. Aber mir fehlt noch der Zusammen-
    hang.“
    „Vergiß es. Ohne mich. Und jetzt hau ab. Es ist
    Zeit für meine Tabletten.“
    Ich bohre nicht weiter.
    Er holt mich auf der Türschwelle ein.
    „Da läuft zuviel hinten herum, Llob. Das ist eine
    Nummer zu groß für dich. Das Limbes Rouges ist ein Minenfeld. Diese Leute überlassen nichts dem
    Zufall. Die kennen kein Zögern und kein Zurück,
    und Kompromisse gibt es nicht für sie. Überleg es
    dir, du bist zu nichts verpflichtet. Wäg in Ruhe ab.
    Manchen Fällen geht man nach, von anderen läßt
    man lieber die Finger.“
    „Ich tue nur meine Arbeit. Wenn mittendrin was
    außer Kontrolle gerät, das ist Berufsrisiko.“
    Er droht mir mit zittrigem Finger: „Ich habe dich
    jedenfalls gewarnt.“
    „Hör auf zu rauchen, Dine. Und vor allem: hör
    auf zu trinken.“

    12

    „Jüngstes Mordopfer ist der Komiker Aït Méziane.
    Als er gerade seine Tochter zur Schule brachte,
    schossen ihm zwei Bewaffnete drei Kugeln in den
    Nacken …“. Ein Zischen, und der Sprecher fügt
    noch etwas hinzu, das ich nicht mitbekomme.
    Die Nachricht trifft mich mit voller Wucht. Ich
    erstarre über meinen Schuhbändern, unfähig, beim
    Zuknüpfen weiterzumachen.
    Nadelstiche durchbohren meinen Kopf, Erinne-
    rungsfetzen blitzen auf: ein Schulhof, auf dem das
    Opfer seine ersten Späße trieb, eine Ecke im Klas-
    senzimmer, wo der Lehrer ihm eine Papierkrone
    mit Eselsohren aufsetzte, die Bretter einer einfa-
    chen Bühne, auf der er

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