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Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Titel: Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Gurgel.
    »Schluß jetzt!« schnarrt der Boss und schnellt herum. Sein Gesicht ist aschfahl. Im ersten Moment denke ich, sein Gebiß springt heraus, um nach mir zu schnappen. Doch er rührt sich nicht vom Fenster, wirft mir statt dessen einen finsteren Blick zu und winkt erschöpft ab: »Euer Hickhack ermüdet mich.«
    Bliss senkt zerknirscht den Blick. Der Direx läßt sich auf seinen Thron fallen, bringt ihn mit einem Hüftschwung zum Kreiseln und sieht mich schief an.
    »Hast du heute früh den Tagesbericht gelesen? Ein Team vom Geheimdienst hat den Schlupfwinkel von Merouane TNT ausgemacht. Der Schweinehund hatte an sämtlichen Zugängen Sprengladungen angebracht. Kaum haben sie den ersten Fenstergriff angerührt, ist der ganze Laden in die Luft geflogen. Bilanz: drei Bombenspezialisten auf der Bahre, ein Gutteil der Straße unter Trümmern.«
    Er erhebt sich, schlendert erneut zu seinem Aussichtsposten, dann zu mir herüber.
    »Drei Monate trittst du schon auf der Stelle, Kommissar. Unterdessen begraben wir einen Toten nach dem anderen.«
    »Ich tue, was ich kann.«
    »Das ist nicht genug.«
    »Ich kann nicht mehr tun, als die Mittel, die man mir an die Hand gibt, zu tun gestatten.«
    Seine Lippen schürzen sich, seine Pupillen beginnen gefährlich zu glühen: »Was du da unterstellst, ist einfach lächerlich.«
    Bliss beobachtet mich scharf durch seine zusammengekniffenen Lider hindurch. Sich seiner verteufelten Raffinesse sehr wohl bewußt, erdreistet er sich: »Das liegt in seiner Natur, Herr Direktor. Immer, wenn er in der Klemme steckt, denkt er sich eine Ausflucht aus … Dein Problem kommt daher, Llob, daß deine psychologischen Fähigkeiten zu wünschen übriglassen. Nicht daß Gai’ds Bande unauffindbar wäre, doch deine Methode, sie aufzuspüren, bringt’s einfach nicht. Von Anfang an habe ich Herrn Direktor gesagt, daß du die Angel nach dem Hecht in einer Pfütze auswirfst. Bei jedem anderen hätte ich mich schon längst eingeschaltet, aber dein Hochmut hat mich davon abgehalten.«
    »Weißt du eigentlich, was ich von dir halte, Bliss Nahs?«
    Er unterbricht mich mit einer Geste, steht langsam auf, rückt seine Krawatte zurecht, streicht das Vorderteil seiner Jacke glatt, streckt sich auf die Zehenspitzen. Pech für ihn, daß sein Kopf nicht über meine Gürtelschnalle hinausreicht.
    »Ich weiß, was du von mir hältst, aber es bereitet mir keine schlaflosen Nächte.«
    Er nähert sich dem Schreibtisch des Direktors und schiebt mir ein Buch hin.
    »Hier haben wir vermutlich eines der Motive für den Mord. Ben Oudas jüngstes Werk: Traum und Utopie. Ich habe es zweimal gelesen. Der Herr Direktor und ich sind überzeugt, daß …«
    »Ich hab’s auch gelesen. Du kannst mir gar nichts beibringen.«
    »Da bin ich wohl leider nicht der einzige!«
    Er schlägt das Buch auf Seite 5 auf und legt seinen Finger auf eine Widmung: »Abderrahmane Kaak in herzlicher Verbundenheit zugeeignet«, liest er laut vor. »Statt blindlings drauflos zu suchen, könnte man doch mal dieser Spur nachgehen?«
    Der Direktor kritzelt rasch was auf einen Papierfetzen und hält ihn mir hin: »Seine Anschrift.«
    Ich schau auf das Papier, das Buch, die beiden mit ihrer Kunkelei offenbar höchst zufriedenen Ganoven, auf die Bucht hinterm Fenster, auf meine Schuhe, zur Decke und finde nirgendwo Raum, auch nur ein Wort loszuwerden. Mit lockerer Hand greife ich nach dem Papier und strecke mein Kinn hoch. Kommt nicht in die Tüte, mir hier die geringste Blöße zu geben. Wahrer Adel besteht darin, nicht aus der Haut zu fahren, wo simple Verachtung genügt.
     
    Lino ist vorgefahren, um mich wie üblich abzuholen. Ich lasse ihn auf der Straße hupen. Er braucht eine Weile, bis er realisiert, daß mich heute nichts an meinen Schreibtisch zieht und ich allein sein will.
    In der Nacht hätte ich fast mein Kopfkissen erwürgt. Und seit dem frühen Morgen schwanke ich, so geschafft bin ich von dieser schlaflosen Nacht, ob ich mich nun rasieren oder gleich unrasiert in der Toilette versenken soll. Ich sehe so schwarz, daß zehn Sonnen nicht dagegen anscheinen können.
    Draußen dampft die Stadt unter der Hitzeglocke und schleppt sich verbissen voran. Hier dröhnen dissonant die Motoren, dort heulen gellend die Sirenen. Noch hat der Frühling sich nicht verabschiedet, da schmort Algier schon wie ein Hammel am Spieß zwischen göttlicher Hölle und menschlichem Fegefeuer.
    Ich ersticke.
    Es gibt Tage, da grollt man Gott und der Welt, und die

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