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Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Titel: Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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denke, schaudert’s mich noch heute.
    Ein als Penner verkleideter Wärter öffnet mir eine Pforte und geleitet mich durch ein Labyrinth aus unterschiedlichsten Materialien. Dann ein Schiebefenster und ein anderer Wärter, in Anzug und Krawatte diesmal, der meine Papiere beschlagnahmt, mich in ein Register einträgt und in die Höhle des Löwen katapultiert.
    Keine Zeit mehr, kleine weiße Kieselsteine auf den Weg zu streuen. Ein Aufzug verschluckt mich und kotzt mich wie ein verdorbenes Lebensmittel mitten auf einem Gang aus, der jedem OP-Trakt zur Ehre gereichte. Jetzt braucht’s wirklich keine Begleitung mehr. Rotierende Kameras machen Röntgenbilder von dir, und dein Instinkt führt dich immer der Nase nach deinem Schicksal entgegen.
    Meines sieht aus wie ein braver Stammeshäuptling. Seine Kobrabrille trägt er ebenso hoheitsvoll zur Schau wie seine fünfzig Jahre. Er ist kaum größer als ein Kilometerstein, mit einem Lächeln, das in einem Sanatorium harmlos gewirkt hätte, dennoch entströmt seiner Person eine solche Autorität und solches Mißtrauen, daß du anfängst, deinem eigenen Schatten nicht mehr über den Weg zu trauen.
    Er kommt hinter seinem nüchternen Schreibtisch hervor, drückt mir die Hand, spürt mein Unbehagen und versucht, mich zu beruhigen: »Es sind nur ein paar Formalitäten zu erledigen, Kommissar. Nehmen Sie doch bitte Platz …«
    Da funkt das Telefon dazwischen. Mein Gastgeber entschuldigt sich. Er hört lange schweigend zu, legt auf und wendet sich wieder mir zu, doch sein Lächeln, das hat er auf dem Apparat zurückgelassen.
    Ich zücke meine Zigaretten. Er legt mir nahe, lieber nicht zu rauchen. Ich wette, er will mich auf die Probe stellen.
    »Ihr Direktor hat Sie sicher davon in Kenntnis gesetzt, daß wir uns für den Fall Ben Ouda interessieren. Der Verstorbene war ein äußerst einflußreicher Diplomat. Wir haben Grund zu vermuten, daß für seine Beseitigung wichtige politische Motive ausschlaggebend waren. Sie haben ja heute früh die Zeitung gelesen. Es wird wild drauflos spekuliert, und das löst Verärgerung in den höheren Sphären aus. Ich weiß nicht, ob Sie auf dem laufenden sind: Unser einziger Zeuge, Toufik Salem, der Junge, mit dem er zusammenlebte, hat sich gestern abend aus dem fünften Stock gestürzt.«
    »Ich bin auf dem laufenden.«
    Er breitet auf dem Tisch eine Kopie der Zeugenaussage des seligen Toufik aus und trommelt mit dem Finger auf ein Schlüsselwort: »Was hat er mit der ,Diskette’ gemeint, Kommissar?«
    »Keine Ahnung.«
    »Haben Sie nicht versucht, mehr darüber herauszufinden?«
    »Der Junge stand unter Schock.«
    »Sie hätten nicht lockerlassen dürfen.«
    »Ich hatte vor, zu einem späteren Zeitpunkt mit ihm weiterzuplaudern.«
    »Eine unglückliche Idee, wie Sie sehen. Jetzt ist er tot.«
    »Wirklich Pech.«
    Meine Gemütsruhe regt ihn auf. Er steckt die Kopie der Aussage in die Akte zurück, kommt mit der Nase ganz nah an mich heran und blafft mir ins Gesicht: »Was hatten Sie bei Ben Ouda zwei Tage vor seinem Tod zu suchen?«
    Fünf Sekunden lang habe ich Pudding in den Beinen.
    »Er hatte mich gebeten vorbeizukommen.«
    »Warum?«
    »Um zu plaudern.«
    »Worüber?«
    »Über Vögel.«
    Er trommelt mit den Fingern auf die Akte ein. Seine Kiefer verkrampfen sich, lockern sich aber gleich wieder.
    Ganz ruhig sagt er: »Sie sind Polizist. Sie wissen ja, was das heißt.«
    »Der Hauptverdächtige zu sein?«
    »Kooperativ zu sein … Sie kannten sich?«
    »Wir haben uns 1965 in Ghardaia gesehen.«
    »Trafen Sie sich regelmäßig?«
    »Nein.«
    »Und warum diesmal?«
    »Er hatte mein Buch gelesen. Er wollte mir dazu gratulieren.«
    Er streicht sich über den Schnauzbart. Er ist nicht überzeugt: »Und er kam Ihnen nicht besorgt vor?«
    »Kaum.«
    »Er hat nicht zufällig etwas von einer ,Diskette’ gesagt?«
    »Nein.«
    »Oder von Dokumenten oder irgend etwas in der Art?«
    »Hören Sie, ich habe mein Omelett auf dem Feuer stehenlassen und bis jetzt noch nicht gefrühstückt. Mein Besuch bei Ben Ouda war ein reiner Höflichkeitsbesuch. Er wurde in meinem Sektor liquidiert. Ich verspreche Ihnen, Sie über das Ergebnis meiner Ermittlungen in Kenntnis zu setzen. Das abgekühlte Klima hier bekommt mir nicht.
    Meine Wohnung liegt neben einem freien Feld, wenn Sie verstehen.«
    Zu meiner großen Überraschung läutet er nach dem Laufburschen und bittet ihn, mich hinauszubegleiten.
    Wir trennen uns ohne ein weiteres Wort, ohne jeden Händedruck. Ehe

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