Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
Gesicht ganz faltig wurde, sein Blick
trüb. Da hatte er verstanden, daß Misuraca sich diese Frage
selbst schon tausendmal gestellt und nie eine Antwort
gefunden hatte. Montalbano ließ es gut sein.
» Pronto? Sind Sie noch dran?« fragte Misuraca gereizt.
»Was kann ich für Sie tun, Cavaliere?«
»Mir ist gerade erst etwas eingefallen, weshalb ich es bei
meiner Aussage noch nicht vorbringen konnte.«
»Cavaliere, ich habe keinen Grund, dies in Frage zu
stellen. Ich höre.«
»Mir ist etwas Merkwürdiges passiert, als ich fast auf der
Höhe des Supermarktes war, aber in dem Augenblick habe ich
nicht weiter darauf geachtet, mir war gar nicht wohl, weil so
Idioten unterwegs sind, die...«
»Sagen Sie mir doch einfach, was passiert ist.«
Wenn man ihn reden ließ, dann fing der Cavaliere
womöglich bei der Gründung der faschistischen Kampfbünde
an.
»Nicht am Telefon. Persönlich. Es ist ein dicker Hund,
wenn ich recht gesehen habe.«
Der Alte galt als jemand, der immer sagte, was zu sagen
war, ohne Beschönigungen oder Abstriche. »Betrifft es den
Diebstahl im Supermarkt?«
»Natürlich.«
»Haben Sie schon mit jemandem darüber gesprochen? «
»Mit niemandem.«
»Ich bitte Sie dringend, kein Wort darüber zu verlieren.«
»Wollen Sie mich beleidigen? Ich kann schweigen wie
ein Grab. Morgen früh komme ich zu Ihnen ins Büro.«
»Cavaliere, darf ich Sie etwas fragen? Was wollten Sie
mitten in der Nacht allein dort mit dem Auto, wenn Sie sich
unwohl fühlten? Sie wissen doch, daß man ab einem gewissen
Alter vorsichtig sein muß?«
»Ich kam aus Montelusa. Dort war eine Sitzung des
Parteivorstands der Provinz, dem ich zwar nicht angehöre,
aber ich wollte dabeisein. Niemand kann Gerlando Misuraca
die Tür vor der Nase zuschlagen. Es gilt zu verhindern, daß
unsere Partei Gesicht und Ehre verliert. Sie kann doch nicht
mit diesen Hundesöhnen von Politikern in der Regierung
sitzen und gemeinsam mit ihnen ein Gesetz erlassen, mit dem
diese Schweine, die sich unser Vaterland unter den Nagel
gerissen haben, aus dem Gefängnis kommen! Sie müssen
verstehen, Commissario, daß...«
»Dauerte die Sitzung lange?«
»Bis ein Uhr nachts. Ich wollte weitermachen, aber die
anderen waren dagegen, denen sind die Augen schon
zugefallen, diesen Schlappschwänzen!«
»Und wie lange haben Sie bis Vigàta gebraucht?«
»Eine halbe Stunde. Ich fahre langsam. Also, wie ich
sagte...«
»Entschuldigen Sie, Cavaliere, es klingelt gerade am
anderen Apparat. Bis morgen also«, unterbrach ihn
Montalbano.
Fünf
»Mieser als Verbrecher! Mieser als Mörder haben uns diese
Scheißtypen behandelt! Was glauben die eigentlich, wer sie
sind? Arschlöcher!«
Fazio, gerade aus Palermo zurück, war gar nicht mehr zu
beruhigen. Germanà, Gallo und Galluzzo stimmten wie die
Rohrspatzen in sein Geschimpfe ein und beschrieben mit dem
rechten Arm weite Kreise, um das unerhörte Geschehnis zu
veranschaulichen. »Die spinnen! Die spinnen einfach!«
Montalbano sprach ein Machtwort. »Schluß jetzt,
beruhigt euch mal, Kinder. Alles der Reihe nach.« Dann sah
er, daß Galluzzos Jacke und Hemd von dem Blut, das ihm aus
seiner angeschlagenen Nase gelaufen war, gereinigt waren,
und fragte ihn: »Bist du zu Hause vorbeigefahren, bevor du
hergekommen bist?«
Es war die verkehrte Frage, denn Galluzzo lief blau an,
und seine geschwollene Nase zeigte violette Äderchen.
»Von wegen zu Hause vorbeigefahren! Fazio hat es doch
gerade gesagt! Wir kommen direkt aus Palermo. Als wir zur
Antimafia kamen und Tano u Grecu übergaben, haben sie uns
gepackt und jeden in ein anderes Zimmer gesteckt. Mir hat
meine Nase immer noch weh getan, und ich wollte ein nasses
Taschentuch drauflegen. Nach einer halben Stunde ist immer
noch niemand gekommen, da hab' ich die Tür aufgemacht.
Und stehe vor einem Kollegen. Wo willst du hin? Ein bißchen
Wasser für meine Nase holen. Du kannst hier nicht raus, geh
wieder rein. Verstehen Sie, Commissario? Ich wurde streng
bewacht! Als ob ich Tano u Grecu wäre!«
»Sag diesen Namen nicht, und schrei nicht so!« fuhr
Montalbano ihn an. »Niemand darf wissen, daß wir ihn
hoppgenommen haben! Den ersten, der redet, befördere ich
mit einem Arschtritt nach Asinara.«
»Wir wurden alle bewacht«, fing Fazio mit empörter
Miene wieder an.
Galluzzo erzählte weiter. »Nach einer halben Stunde kam
einer ins Zimmer, den ich kenne, ein Kollege von Ihnen, der
jetzt bei der
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