Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
leid.«
Als sie sich mit zwei Autos und einem Lieferwagen Richtung
Crasticeddru auf den Weg machen wollten, merkte
Montalbano, daß Galluzzo ihn kläglich ansah, wie ein
geprügelter Hund. Er nahm ihn auf die Seite.
»Was ist los?«
»Könnte ich vielleicht meinen Schwager über die Sache
informieren, den Journalisten?«
»Nein«, antwortete Montalbano heftig, überlegte es sich
aber sofort anders, denn er hatte plötzlich eine Idee, zu der er
sich beglückwünschte.
»Also gut, aber nur, um dir einen persönlichen Gefallen
zu tun. Ruf ihn an, er soll kommen.«
Die Idee war folgende: Wenn Galluzzos Schwager zum
Crasticeddru käme und die Nachricht von dem Fund
bekanntmachte, wäre die Pressekonferenz damit vielleicht
hinfällig.
Montalbano ließ Galluzzos Schwager und dessen
Kameramann von »Televigàta« nicht nur freie Hand, sondern
half den beiden auch, ihren Knüller zurechtzubasteln – er
spielte Regisseur, setzte eine Bazooka zusammen, die Fazio
anlegte, und beleuchtete die Höhle taghell, damit jedes
Magazin, jede Patrone einzeln fotografiert oder gefilmt
werden konnte.
Nach zwei Stunden Schwerstarbeit war die Höhle
leergeräumt. Der Journalist und sein Kameramann sausten
nach Montelusa, um den Bericht zu schneiden, Montalbano
rief über Handy den Questore an.
»Es ist alles verladen.«
»Gut. Schicken Sie die Ladung hierher, nach Montelusa.
Ach, noch etwas. Lassen Sie einen Posten da. In Kürze kommt
Jacomuzzi mit seinen Leuten vom Erkennungsdienst. Meinen
Glückwunsch.«
Daß die Idee mit der Pressekonferenz endgültig begraben
wurde, dafür sorgte Jacomuzzi. Natürlich völlig unfreiwillig,
denn Pressekonferenzen und Interviews waren Jacomuzzis
ganzes Glück. Bevor sich der Chef des Erkennungsdienstes für
die Tatortarbeit zur Grotte begab, hatte er schnell noch an die
zwanzig Journalisten von Presse und Fernsehen informiert.
Die Reportage von Galluzzos Schwager würde in den
regionalen Nachrichten kommen, die Berichte über Jacomuzzi
und seine Leute aber würden landesweit größtes Aufsehen
erregen. Wie Montalbano vorausgesehen hatte, entschied der
Questore, keine Pressekonferenz abzuhalten – es wußten ja
sowieso schon alle alles –, und beschränkte sich auf einen
ausführlichen Bericht.
In Unterhosen, eine große Flasche Bier in der Hand,
genoß Montalbano zu Hause vor dem Fernseher Jacomuzzis
Gesicht – immer in Großaufnahme. Er erklärte, wie seine
Leute auf der Suche nach dem geringsten Hinweis, der
Andeutung eines Fingerabdrucks, den Resten einer Fußspur,
die Holzkonstruktion im Inneren der Grotte Stück für Stück
zerlegten. Als die Grotte bloßlag und wieder in ihren
ursprünglichen Zustand versetzt war, machte der Kameramann
von
»Retelibera«
einen
langen,
umfassenden
Panoramaschwenk im Höhleninneren. Und genau während
dieses Panoramaschwenks sah der Commissario etwas, das
ihm nicht gefiel, ein flüchtiger Eindruck war es, mehr nicht.
Aber nachgehen konnte er dem ja mal. Er rief bei »Retelibera«
an und ließ sich mit seinem Freund, dem Journalisten Nicolò
Zito, verbinden.
»Kein Problem, ich lasse es dir überspielen.«
»Aber ich habe kein Dings, du weißt schon, wie, zum
Teufel, heißt das noch mal?«
»Dann komm, und schau es dir hier an.«
»Ginge es morgen vormittag gegen elf?«
»In Ordnung. Ich werde nicht da sein, aber ich sage den
anderen Bescheid.«
Am nächsten Morgen um neun fuhr Montalbano nach
Montelusa zum Büro der Partei, bei der Cavaliere Misuraca
aktives Mitglied gewesen war. Das Schild neben dem Eingang
wies darauf hin, daß man in den fünften Stock hinauf mußte.
Gemeinerweise wies das Schild nicht darauf hin, daß man nur
zu Fuß dorthin gelangen konnte, denn der Palazzo hatte keinen
Aufzug. Nachdem Montalbano mindestens zehn Treppen
hinter sich gebracht hatte, klopfte er ziemlich schwer atmend
mehrmals an eine Tür, die hartnäckig geschlossen blieb. Er
ging die Treppen wieder hinunter und trat durch das Tor.
Direkt nebenan war ein Obst- und Gemüseladen, in dem ein
alter Mann gerade einen Kunden bediente. Der Commissario
wartete, bis der Verkäufer allein war.
»Kannten Sie Cavalier Misuraca?«
»Was geht Sie das an, wen ich kenne, oder wen ich nicht
kenne?«
»Es geht mich was an. Ich bin von der Polizei.«
»In Ordnung. Ich bin Lenin.«
»Wollen Sie sich über mich lustig machen?«
»Überhaupt nicht. Ich heiße wirklich Lenin. Den Namen
hat mir mein Vater
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