Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
einen roten Knopf gefunden, aber erzähl's
nicht weiter.«
»Mein Gott, bist du blöd! Jetzt sag' ich gar nichts mehr.«
»Ach komm, Mamas Liebling braucht nicht gleich
beleidigt zu sein.«
»Also, auf diesem Stück Karton sind Buchstaben
aufgedruckt. Ich habe es unter dem Fußboden gefunden, der in
der Grotte war, es muß durch ein Interstitium zwischen den
Brettern gerutscht sein.«
»Wie heißt das Wort, das du eben gesagt hast?«
»Fußboden?«
»Nein, danach.«
»Interstitium?«
»Ja. Gesù, bist du gebildet, wie toll du dich ausdrückst!
Und sonst habt ihr nichts gefunden unter dem Ding, was du
sagst?«
»Doch. Verrostete Nägel, einen Knopf, aber der ist
schwarz, einen Bleistiftstummel und Papierfetzen, aber weißt
du, die sind von der Feuchtigkeit ganz aufgelöst. Das Stück
Karton ist noch in gutem Zustand, weil es offenbar erst seit
wenigen Tagen da lag.«
»Das brauche ich. Sag mal, habt ihr ein Echolot und
jemanden, der damit umgehen kann?«
»Ja, wir haben es erst vor einer Woche in Misilmesi
benutzt, da haben wir drei Tote gesucht und tatsächlich
gefunden.«
»Kannst du es mir gegen fünf nach Vigàta bringen
lassen?«
»Spinnst du? Es ist halb fünf! Sagen wir, in zwei
Stunden. Ich komme selbst und bringe dir den Karton. Aber
wozu brauchst du es denn?«
»Um deinen süßen Hintern auszuloten.«
»Preside Burgio ist drüben. Er fragt, ob Sie Zeit haben, er muß
Ihnen etwas sagen, es dauert nur fünf Minuten.«
»Laß ihn rein.«
Preside Burgio war schon seit zehn Jahren in Pension,
aber alle im Dorf nannten ihn noch so, weil er über dreißig
Jahre lang Preside, Rektor, der Handelsschule in Vigàta
gewesen war. Er und Montalbano kannten sich gut, der Preside
war ein hochgebildeter Mann, der trotz seines Alters ein reges
Interesse an allen Fragen des Lebens hatte. Montalbano und er
waren schon so manches Mal gemeinsam die Mole
entlanggewandert. Er ging ihm entgegen.
»Wie schön, Sie zu sehen! Bitte, setzen Sie sich doch.«
»Ich war gerade in der Gegend und wollte mal schauen,
ob Sie da sind. Wenn Sie nicht im Büro gewesen wären, hätte
ich Sie später angerufen.«
»Was gibt es denn?«
»Ich kann Ihnen etwas über die Grotte erzählen, in der Sie
die Waffen gefunden haben. Ich weiß nicht, ob es von
Bedeutung ist, aber...«
»Sie scherzen wohl. Sagen Sie mir bitte alles, was Sie
wissen.«
»Also, ich möchte vorausschicken, daß ich von dem
ausgehe, was ich im lokalen Fernsehen gesehen und in der
Zeitung gelesen habe. Möglicherweise liegen die Dinge in
Wirklichkeit jedoch anders. Jedenfalls hieß es, der Felsblock,
der den Eingang versperrte, sei von Mafiosi oder
irgendwelchen Waffenhändlern in eine Tür umgearbeitet
worden. Das stimmt nicht. Umgearbeitet, wenn man so sagen
will, hat ihn der Großvater von Lillo Rizzitano, der mir ein
sehr lieber Freund war.«
»Wissen Sie, in welcher Zeit das war?«
»Natürlich weiß ich das. Gegen 1941, als Öl, Mehl und
Weizen wegen des Krieges allmählich knapp wurden. Damals
gehörte das gesamte Land rund um den Crasto und am
Crasticeddru Giacomo Rizzitano, Lillos Großvater, der in
Amerika auf nicht ganz legale Weise – zumindest erzählte
man das im Dorf – zu Geld gekommen war. Giacomo
Rizzitano hatte die Idee, die Grotte mit dieser zur Tür
umgearbeiteten Felsplatte zu verschließen. In der Grotte
lagerte er im Überfluß alle möglichen Waren, die er mit Hilfe
seines Sohnes Pietro, Lillos Vater, auf dem Schwarzmarkt
verkaufte. Sie hatten keine Skrupel und waren noch in andere
Geschichten verwickelt, über die anständige Leute damals
nicht redeten, möglicherweise sogar Bluttaten. Lillo war ganz
anders geraten. Er war eine Art Literat, er schrieb schöne
Gedichte und las viel. Er brachte mir so viel nahe, Unter
Bauern von Pavese, Gespräch in Sizilien von Vittorini... Ich
besuchte ihn meistens, wenn seine Leute außer Haus waren, in
einem kleinen Haus direkt am Fuß des Crasto, auf der Seite,
die aufs Meer hinausgeht.«
»Wurde es für den Tunnelbau abgerissen?«
»Ja. Das heißt, die Bagger, die bei dem Bau eingesetzt
wurden, haben die Ruine und die Fundamente weggeschafft,
das Haus war bei den Bombenangriffen, die der Landung der
Alliierten im Jahr 43 vorausgingen, buchstäblich zermahlen
worden.«
»Wäre es möglich, Ihren Freund ausfindig zu machen?«
»Ich weiß nicht einmal, ob er tot oder lebendig ist, auch
nicht, wo er gelebt hat. Ich sage das, weil
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