Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
Als er »Retelibera« verließ, war
der Commissario überzeugt, daß er genau das gesehen hatte,
was ihn interessierte, aber das, was ihn interessierte, schien
keinen Sinn zu ergeben.
Zehn
Unschlüssig blieb Montalbano vor der Osteria San Calogero
stehen: Es war zwar allmählich Zeit zum Essen, und Hunger
hatte er auch, andererseits trieb ihn der Gedanke, der ihm
während des Films gekommen war und dem nachgegangen
werden mußte, in Richtung Crasticeddru. Der Duft der triglie
fritte, der aus der Osteria kam, gewann das Duell. Er aß ein
antipasto speciale di frutti di mare, dann ließ er sich zwei
spigole bringen, die so frisch waren, daß sie noch im Wasser
zu schwimmen schienen.
»Sie essen, ohne bei der Sache zu sein.«
»Sie haben recht, mich beschäftigt ein Gedanke.«
»Sie dürfen angesichts der Gnade, die u Signuri Ihnen mit
diesen spigole schenkt, an gar nichts denken«, sagte Calogero
feierlich und entfernte sich.
Montalbano ging im Büro vorbei, um sich nach dem
Stand der Dinge zu erkundigen.
»Dottor Jacomuzzi hat mehrmals angerufen«, teilte
Germanà ihm mit.
»Wenn er noch mal anruft, sag ihm, daß ich mich später
bei ihm melde. Haben wir eine starke Taschenlampe?«
Als Montalbano sich von der Provinciale her dem
Crasticeddru näherte, beschloß er, das Auto stehenzulassen
und zu Fuß weiterzugehen. Es war ein schöner Tag, der leichte
Wind tat ihm gut und hob seine Laune. Auf dem Boden rund
um den Grat waren jetzt die Reifenspuren von den Autos all
der Neugierigen zu sehen, die hier herumgefahren waren, der
Block, der als Tür gedient hatte, war ein paar Meter
weggerückt, der Eingang zur Höhle lag frei. Er wollte gerade
hineingehen, als er wie angewurzelt stehenblieb und lauschte.
Von innen war halblautes Flüstern zu hören, hin und wieder
unterbrochen von unterdrücktem Stöhnen. Ihm kam ein
Verdacht: Wurde da etwa jemand gefoltert? Es war keine Zeit,
zum Auto zu laufen und die Pistole zu holen. Er stürzte hinein
und schaltete gleichzeitig die Taschenlampe an.
»Stehenbleiben! Polizei!«
Die beiden in der Grotte erstarrten vor Schreck, aber
Montalbano erschrak noch viel mehr. Es waren ein Junge und
ein Mädchen, blutjung, nackt und gerade dabei, sich zu lieben:
Sie stützte sich, die Arme ausgestreckt, mit den Händen an der
Wand ab, er preßte sich von hinten an sie. Im Schein der
Taschenlampe wirkten sie wie wunderschöne Statuen. Der
Commissario spürte, wie ihm die Schamröte ins Gesicht stieg,
und während er die Taschenlampe ausschaltete und den
Rückzug antrat, murmelte er linkisch: »Entschuldigt bitte... Ich
habe mich geirrt... Laßt euch Zeit.« Es dauerte keine Minute,
bis sie herauskamen, Jeans und T-Shirt sind schnell
übergestreift. Es tat Montalbano aufrichtig leid, daß er sie
gestört hatte, diese beiden weihten auf ihre Weise die Höhle
wieder ein, jetzt, wo sie kein todbringendes Depot mehr war.
Der Junge ging mit gesenktem Kopf, Hände in den
Hosentaschen, an ihm vorbei, sie dagegen sah ihn kurz mit
einem leisen Lächeln und einem amüsierten Blitzen in den
Augen an.
Der Commissario fand bereits nach einer raschen,
oberflächlichen Erkundung bestätigt, daß das, was ihm in dem
Video aufgefallen war, dem entsprach, was er an Ort und
Stelle sah: Während die Seitenwände relativ glatt und kompakt
waren, wies der untere Teil der hinteren, also der dem Eingang
gegenüberliegenden Wand Unebenheiten, Vorsprünge und
Vertiefungen auf; auf den ersten Blick wirkte sie grob
behauen. Aber sie war nicht behauen, sondern bestand aus
Steinen, die aufeinander und nebeneinander lagen. Die Zeit
hatte dann dafür gesorgt, sie zusammenwachsen zu lassen, zu
zementieren, mit Staub, Erde, Nässe und Salpeter der
Umgebung anzupassen, bis die plumpe Mauer zu einer fast
natürlichen Wand verformt war. Er sah sich alles genau an,
untersuchte Zentimeter für Zentimeter, und am Ende hatte er
keinen Zweifel mehr: Hinten in der Höhle mußte es eine
Öffnung von mindestens einem mal einem Meter geben, die
bestimmt nicht erst in den letzten Jahren zugemauert worden
war.
»Jacomuzzi? Hier ist Montalbano. Du mußt unbedingt...«
»Könnte man vielleicht erfahren, wo du dich wieder
rumgetrieben hast? Den ganzen Vormittag habe ich damit
verbracht, dich zu suchen!«
»Schon gut, jetzt bin ich ja da.«
»Ich habe ein Stück Karton gefunden, wie von einem
Paket oder vielmehr von einer großen Speditionskiste.«
»Ich hab' mal
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