Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
gegeben, und ich bin stolz darauf. Oder
gehören Sie etwa auch zu der Sorte Leute von nebenan?«
»Nein. Außerdem bin ich nur dienstlich hier. Also noch
mal: Kannten Sie Cavalier Misuraca?«
»Natürlich habe ich ihn gekannt. Er hat seine Tage damit
verbracht, durch diese Tür hinein- und wieder hinauszugehen
und mich mit seiner Rostlaube zu ärgern.«
»Was hat er denn gemacht?«
»Was er gemacht hat? Er hat immer vor dem Laden
geparkt, auch an dem Tag, an dem er mit dem Laster
zusammengestoßen ist.«
»Hatte er direkt hier geparkt?«
»Rede ich etwa chinesisch? Genau hier. Ich bat ihn,
seinen Cinquecento woanders hinzustellen, aber er fing sofort
an zu streiten und schrie mich an, er könne seine Zeit nicht mit
mir verschwenden. Da war ich wirklich sauer und habe ihn
genauso angefegt. Na ja, jedenfalls wären wir beinahe
aufeinander losgegangen. Zum Glück kam dann ein Junge
vorbei, sagte zu dem seligen Cavaliere, er könne ihm das Auto
ja wegfahren, und ließ sich den Schlüssel geben.«
»Wissen Sie, wo er es abgestellt hat?«
»Nein.«
»Würden Sie diesen Jungen wiedererkennen? Haben Sie
ihn vorher schon mal gesehen?«
»Ab und zu habe ich gesehen, wie er durch die Tür
nebenan gegangen ist. Wahrscheinlich gehört der auch zu
dieser netten Gesellschaft.«
»Der Parteisekretär heißt Biraghìn, nicht wahr?«
»Ja, soviel ich weiß. Er arbeitet im Amt für
Sozialwohnungsbau. Er stammt aus der Gegend von Venedig,
um diese Zeit ist er im Büro. Hier machen sie erst gegen sechs
auf, es ist noch zu früh.«
»Dottor Biraghìn? Hier ist Commissario Montalbano aus
Vigàta, entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie im Büro störe.«
»Aber ich bitte Sie, womit kann ich dienen?«
»Vielleicht können Sie mir mit ihrem Gedächtnis helfen.
Die letzte Parteisitzung, an der der arme Cavalier Misuraca
teilgenommen hat, was für eine Art Sitzung war das?«
»Ich verstehe Ihre Frage nicht.«
»Ich bitte Sie, Sie brauchen sich nicht aufzuregen, eine
reine Routineuntersuchung, um die Umstände von Misuracas
Tod zu klären.«
»Warum, ist irgendwas unklar?«
Eine ziemliche Nervensäge, der Dottor Ferdinando
Biraghìn. »Alles sonnenklar, das kann ich Ihnen versichern.«
»Und was wollen Sie dann?«
»Ich muß die Akte schließen, verstehen Sie? Ich kann die
Sache ja nicht in der Schwebe lassen.«
Bei den Worten Sache und Akte war Biraghìn, der
Bürokrat des Istituto case popolari, plötzlich wie
ausgewechselt.
»Ach, das kann ich sehr gut verstehen. Es handelte sich
um eine Sitzung des Parteivorstands, an der teilzunehmen der
Cavaliere kein Recht hatte, aber wir haben eine Ausnahme
gemacht.«
»Also eine Sitzung im engsten Kreis?«
»Ein Dutzend Personen.«
»Kam jemand, der den Cavaliere sprechen wollte?«
»Nein, wir hatten die Tür abgeschlossen. Das wüßte ich
noch. Aber er wurde am Telefon verlangt.«
»Verzeihen Sie, ich nehme an, Sie kennen den Tenor des
Gesprächs nicht?«
»Ich kenne nicht nur den Tenor, sondern auch den
Bariton, den Baß und den Sopran!«
Er lachte. Wie witzig Ferdinando Biraghìn war! »Sie
wissen doch, wie der Cavaliere geredet hat, so als wären alle
anderen taub. Es war schwierig, ihn nicht zu hören, wenn er
redete. Stellen Sie sich vor, einmal...«
»Entschuldigen Sie, Dottore, ich habe wenig Zeit. Sie
konnten also den...«
Er stockte und verwarf das Wort »Tenor«, um Biraghìns
tragischem Humor nicht noch mal in die Falle zu gehen.
»... also verstehen, worum es im Kern ging?«
»Natürlich. Es war jemand, der dem Cavaliere den
Gefallen getan hatte, sein Auto woanders abzustellen. Und
zum Dank beschimpfte ihn der Cavaliere, weil er es zu weit
weg geparkt hatte.«
»Haben Sie mitbekommen, wer angerufen hat?«
»Nein. Warum?«
»Darum«, sagte Montalbano und legte auf.
Der Junge hatte also nicht nur in der Werkstatt
irgendeines Komplizen hinter verschlossenen Türen den
tödlichen Service erledigt, sondern sich auch noch einen Spaß
daraus gemacht, den Cavaliere spazierengehen zu lassen.
Montalbano erklärte einer freundlichen Angestellten von
»Retelibera«, wie hoffnungslos unfähig er war, sobald etwas
nach Elektronik aussah. Er konnte zwar den Fernseher
einschalten, die Programme suchen und den Apparat wieder
ausmachen, das schon, aber ansonsten – Fehlanzeige.
Geduldig und liebenswürdig legte das Mädchen die Kassette
ein und ließ, sobald Montalbano darum bat, die Bilder
zurücklaufen und anhalten.
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