Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
Rezensent –
schließe eine Lücke und sei aufgrund der sorgfältigen
Erforschung eines Gebietes, das sich von der Vorgeschichte
bis zur christlich-byzantinischen Periode erstrecke, von hohem
wissenschaftlichem Wert.
Lange dachte Montalbano über das, was er gerade gelesen
hatte, nach. Der Gedanke, daß der Krug, die Schale mit dem
Geld und der Hund zu einem Bestattungsritus gehören
könnten, wäre ihm nicht mal im Traum gekommen. Vielleicht
war das ein Fehler gewesen, möglicherweise mußte er seine
Nachforschungen genau von dieser Warte aus angehen.
Plötzlich hatte er es furchtbar eilig. Er lief ins Zimmer, zog
den Telefonstecker heraus und nahm den Apparat in die Hand.
»Was machst du?« fragte Anna, die sich den
Gangsterfilm ansah.
»Ich gehe ins Schlafzimmer zum Telefonieren, dann störe
ich dich nicht.«
Er wählte die Nummer von »Retelibera« und ließ sich mit
seinem Freund Nicolò Zito verbinden.
»Sag schnell, Montalbà, ich gehe in ein paar Sekunden
auf Sendung.«
»Kennst du einen gewissen Maraventato, der ein Buch...«
»Alcide? Ja, den kenne ich. Was willst du von ihm?«
»Mit ihm sprechen. Hast du seine Nummer?«
»Er hat kein Telefon. Bist du zu Hause? Ich rede mit ihm
und sag' dir dann Bescheid.«
»Ich muß ihn dringend sprechen.«
»Ich rufe dich spätestens in einer Stunde an und sage dir,
was du zu tun hast.«
Montalbano löschte das Licht auf dem Nachtkästchen, im
Dunkeln konnte er besser über das nachdenken, was ihm durch
den Kopf ging. Er stellte sich vor, wie die Grotte im
Crasticeddru ausgesehen hatte, als er sie zum erstenmal betrat.
Wenn er sich die beiden Leichen wegdachte, blieben ein
Teppich, eine Schale, ein Krug und ein Hund aus Terracotta
übrig. Er zog zwischen den drei Objekten eine Linie, und
heraus kam ein perfektes Dreieck, allerdings ein umgedrehtes,
vom Eingang aus gesehen. Im Zentrum des Dreiecks lagen die
beiden Toten. Hatte das etwas zu bedeuten? Spielte vielleicht
die Ausrichtung des Dreiecks eine Rolle?
Er überlegte hin und her, schweifte ab, ließ sich von
seiner Phantasie treiben und schlief schließlich ein. Er wußte
nicht, wieviel Zeit vergangen war, als das Telefon klingelte
und ihn weckte. Mit schläfriger Stimme meldete er sich.
»Hast du geschlafen?«
»Ja, ich bin eingenickt.«
»Und ich reiß' mir hier ein Bein für dich aus. Also, Alcide
erwartet dich morgen nachmittag um halb sechs. Er wohnt in
Gallotta.«
Gallotta war ein Dorf nicht weit von Montelusa – ein paar
Bauernhäuser nur –, das früher berühmt dafür gewesen war,
daß es im Winter unerreichbar war, wenn das Wasser in
Sturzbächen herunterkam.
»Gib mir die Adresse.«
»Da gibt's keine Adresse. Wenn du von Montelusa
kommst, ist es das erste Haus links. Eine große, baufällige
Villa, an der ein Regisseur von Horrorfilmen die reinste
Freude hätte. Du kannst es gar nicht verpassen.«
Montalbano legte den Hörer auf und schlief sofort wieder
ein. Dann wachte er plötzlich auf, weil sich etwas auf seiner
Brust bewegte. Es war Anna, die er völlig vergessen hatte; sie
lag neben ihm auf dem Bett und war dabei, ihm das Hemd
aufzuknöpfen. Auf jedes Stück Haut, das sie entblößte, legte
sie lange ihre Lippen. Als sie am Bauchnabel ankam, hob sie
den Kopf, fuhr mit der Hand unter das Hemd, streichelte seine
Brust und drückte ihre Lippen auf seinen Mund. Als
Montalbano auf ihren leidenschaftlichen Kuß hin keine
Reaktion zeigte, ließ Anna ihre Hand, die auf seiner Brust lag,
nach unten gleiten. Auch da streichelte sie ihn.
Montalbano entschloß sich zu reden. »Siehst du, Anna?
Es geht eben nicht. Da passiert gar nichts.« Anna sprang vom
Bett auf und stürzte ins Bad. Montalbano rührte sich nicht,
auch nicht, als er sie schluchzen hörte, weinerlich wie ein
Kind, dem ein Bonbon oder ein Spielzeug verwehrt wird.
Durch die offenstehende Badezimmertür sah er im Gegenlicht,
daß sie fertig angezogen war.
»Ein wildes Tier hat mehr Herz als du«, zischte sie und
verschwand.
Jetzt war Montalbano wach, und auch um vier Uhr
morgens war er noch auf und legte eine Patience, die einfach
nicht aufgehen wollte.
Mit finsterer Miene kam Montalabano ins Büro, die
Geschichte mit Anna bedrückte ihn; er hatte ein schlechtes
Gewissen, weil er sie so behandelt hatte. Außerdem war ihm
im Lauf des Morgens ein Zweifel gekommen: Wenn Ingrid an
Annas Stelle gewesen wäre, hätte er sich dann genauso
verhalten?
»Ich muß dich
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