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Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta

Titel: Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Haus am Ortseingang von Gallotta fand er sofort, aber es
    schien ihm unmöglich, daß jemand in dieser Ruine wohnen
    konnte. Das Dach war halb eingefallen, in den dritten Stock
    regnete es bestimmt hinein. Schon bei diesem leichten Wind
    schlug ein Fensterladen, der unbegreiflicherweise noch an
    seinem Platz hing. Im oberen Teil der Fassade wies die
    Außenmauer handbreite Risse auf. Die unteren Stockwerke
    und das Erdgeschoß schienen in besserem Zustand zu sein.
    Der Verputz war längst verschwunden, die Fensterläden waren
    alle kaputt, die Farbe abgeblättert, aber sie schlossen
    anscheinend wenigstens, wenn sie auch windschief waren. Ein
    schmiedeeisernes Gartentor stand halb offen und neigte sich
    nach außen, wahrscheinlich seit undenklichen Zeiten schon,
    und überall Unkraut und Erde.
    Der
    Park
    war
    eine
    ungepflegte
    Ansammlung
    verkrüppelter
    Bäume
    und
    dichter
    Büsche,
    ein
    undurchdringliches Dickicht. Montalbano ging einen Pfad aus
    losen Steinen entlang und blieb vor der Tür, von der die Farbe
    abgeblättert war, stehen. Es wurde schon dunkel, der
    Übergang von der Sommer- zur Winterzeit verkürzte die Tage
    in Wirklichkeit. Es gab eine Klingel, er schellte. Das heißt, er
    hielt den Finger auf die Klingel gedrückt, denn er hatte nicht
    den leisesten Ton gehört. Er versuchte es noch einmal, bis er
    begriff, daß diese Klingel wohl schon seit der Erfindung der
    Elektrizität nicht mehr funktionierte. Also betätigte er den
    Türklopfer in Form eines Pferdekopfes und hörte beim
    drittenmal endlich schlurfende Schritte. Die Tür ging
    geräuschlos auf, man hörte keine Kette und keinen Riegel, nur
    einen langen Klageton wie von einer Seele im Fegefeuer.
    »Sie war offen, Sie hätten nur drücken, reingehen und
    mich rufen müssen.«
    Was da sprach, war ein Skelett. Noch nie in seinem
    Leben hatte Montalbano so einen dürren Menschen gesehen.
    Das heißt, gesehen schon, aber auf dem Totenbett, vertrocknet,
    von einer Krankheit ausgedörrt. Der hier stand noch auf
    beiden Beinen, wenn auch arg gekrümmt, und machte einen
    ganz lebendigen Eindruck. Er trug eine Soutane, die
    ursprünglich schwarz gewesen sein mußte und jetzt einen
    Stich ins Grüne hatte, der steife Kragen, einstmals weiß, war
    von einem speckigen Grau. Er trug genagelte Bauernschuhe,
    wie man sie schon lange nicht mehr bekam. Er war völlig kahl,
    und in seinem Totenschädelgesicht saß eine Goldrandbrille,
    als hätte man sie ihm zum Spaß aufgesetzt, mit dicken
    Gläsern, hinter denen der Blick verschwamm. Montalbano
    dachte, daß die beiden in der Grotte, die seit fünfzig Jahren tot
    waren, mehr Fleisch auf den Knochen hatten als dieser Pfarrer.
    Daß er uralt war, verstand sich von selbst.
    Förmlich bat Maraventato ihn herein und führte ihn in
    einen riesigen Salon, der im wahrsten Sinne des Wortes
    vollgestopft war mit Büchern, die nicht nur in Regalen
    standen, sondern auch auf dem Boden in Stapeln, die bis an
    die hohe Decke reichten und wie durch ein Wunder das
    Gleichgewicht hielten. Durch die Fenster drang kein Licht ein,
    die Bücherstapel auf den Fensterbrettern verdeckten die
    Scheiben vollständig. An Möbeln gab es einen Schreibtisch,
    einen Stuhl und einen Sessel. Wenn Montalbano sich nicht
    irrte, war die Lampe auf dem Schreibtisch eine echte
    Petroleumlampe. Der alte Pfarrer räumte die Bücher vom
    Sessel und bedeutete Montalbano, sich zu setzen.
    »Ich kann mir zwar nicht vorstellen, wie ich Ihnen
    behilflich sein kann, aber reden Sie nur.«
    »Man hat Ihnen bestimmt gesagt, daß ich Commissario
    bin und...«
    »Nein, man hat mir nichts gesagt, und ich habe auch nicht
    gefragt. Gestern ist am späten Abend jemand aus dem Dorf
    gekommen und hat mir gesagt, daß ein Typ aus Vigàta mich
    sprechen will, und ich habe geantwortet, daß er um halb sechs
    kommen soll. Wenn Sie Commissario sind, haben Sie Pech
    gehabt, Sie verlieren nur Ihre Zeit.«
    »Warum sollte ich meine Zeit verlieren?«
    »Weil ich seit mindestens dreißig Jahren das Haus nicht
    mehr verlassen habe. Was soll ich da draußen? Die alten
    Gesichter sind verschwunden, und die neuen überzeugen mich
    nicht. Was ich brauche, wird mir jeden Tag gebracht, ich
    trinke sowieso nur Milch und einmal in der Woche
    Hühnerbrühe.«
    »Sie wissen bestimmt aus dem Fernsehen...«
    Kaum hatte Montalbano den Satz begonnen, unterbrach
    er sich auch schon, das Wort »Fernsehen« schien ihm fehl am
    Platz.
    »In diesem Haus gibt es nicht mal elektrisches

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