Commissario Montalbano 02 - Der Hund aus Terracotta
dringend sprechen.« Mimì Augello stand
in der Tür und wirkte ziemlich aufgeregt.
»Was willst du?«
»Dich über den Stand der Ermittlung unterrichten.«
»Welche Ermittlung?«
» Vabbè, alles klar, ich komme später noch mal.«
»Nein, du bleibst jetzt da und sagst mir, um welche
Scheißermittlung es geht.«
»Wie bitte? Um den Waffenhandel natürlich!«
»Und habe ich dich deiner Meinung nach mit der
Ermittlung beauftragt?«
»Meiner Meinung nach? Du hast selber mit mir darüber
gesprochen, erinnerst du dich? Ich dachte, das sei
ausgemacht.«
»Mimì, ausgemacht ist nur, daß du ein Hurensohn bist,
wobei ich deine Mutter natürlich raushalte.«
»Also, ich sage dir jetzt, was ich gemacht habe, und du
entscheidest dann, ob ich weitermachen soll.«
»Sag schon, was du gemacht hast.«
»Erstens habe ich mir gedacht, daß man Ingrassia im
Auge behalten muß, also habe ich zwei von unseren Leuten
abgestellt, die ihn Tag und Nacht überwachen, er kann nicht
mal pinkeln gehen, ohne daß ich es erfahre.«
»Wie bitte? Du hast zwei von unseren Leuten auf ihn
angesetzt? Du weißt doch, daß er unsere Leute haargenau
kennt!«
»Ich bin doch nicht blöd. Sie sind nicht von uns, ich
meine, nicht aus Vigàta. Es sind Kollegen aus Ragòna, vom
Questore, an den ich mich gewandt habe, abgestellt.«
Montalbano sah ihn bewundernd an. »Du hast dich also
an den Questore gewandt? Bravo, Mimì, du übertriffst dich ja
direkt selber!«
Augello verzichtete auf eine Retourkutsche und fuhr
lieber in seinen Ausführungen fort.
»Wir haben ein Telefongespräch abgehört, das vielleicht
etwas zu bedeuten hat. Ich habe die Transkription bei mir
drüben, ich hole sie schnell.«
»Weißt du sie auswendig?«
»Ja. Aber wenn du sie hörst, findest du bestimmt
irgendein...«
»Mimì, du hast jetzt erst mal herausgefunden, was es
offensichtlich herauszufinden gab. Ich will keine Zeit
verlieren. Sag schon.«
»Also, Ingrassia ruft vom Supermarkt aus in Catania an,
bei der Firma Brancato. Er fragt nach Brancato persönlich, der
an den Apparat kommt. Dann beklagt sich Ingrassia über die
Zwischenfälle, die bei der letzten Lieferung passiert seien, er
sagt, daß der Lastwagen nicht soviel früher hätte kommen
dürfen und daß er deshalb viele Probleme gehabt habe. Er
bittet um ein Treffen, um ein anderes, besseres Liefersystem
zu erarbeiten. Brancatos Antwort an dieser Stelle ist zumindest
merkwürdig. Er fängt an zu schreien, regt sich auf, fragt
Ingrassia, wie er es wagen könne, ihn anzurufen. Ingrassia
bittet stammelnd um eine Erklärung. Und Brancato liefert sie
ihm, er sagt, Ingrassia sei insolvent, und die Banken hätten
ihm, Brancato, geraten, keine Geschäfte mehr mit ihm zu
machen.«
»Und wie hat Ingrassia reagiert?«
»Gar nicht. Kein Wort. Er hat grußlos eingehängt.«
»Hast du verstanden, was das Gespräch zu bedeuten hat?«
»Klar. Ingrassia hat um Hilfe gebeten, und die haben ihn
ausgebootet.«
»Bleib an Ingrassia dran.«
»Das bin ich schon, ich habe es dir doch gesagt.« Sie
schwiegen.
»Was soll ich tun? Mich weiter um die Ermittlung
kümmern?«
Montalbano gab keine Antwort.
»Mein Gott, bist du kindisch!« sagte Augello zu ihm.
»Salvo? Bist du allein im Büro? Kann ich offen sprechen?«
»Ja. Wo bist du denn?«
»Daheim, ich habe ein bißchen Fieber und liege im Bett.«
»Das tut mir leid.«
»Nein, nein, das muß dir nicht leid tun. Es ist ein
Wachstumsfieber.«
»Was ist denn das?«
»Es ist ein Fieber, das kleine Kinder befällt. Es dauert
zwei, drei Tage, neununddreißig, vierzig Grad, aber man
braucht keine Angst zu haben, es ist etwas ganz Natürliches,
eben Wachstumsfieber. Wenn es vorbei ist, sind die Kinder ein
paar Zentimeter größer. Ich bin bestimmt auch gewachsen,
wenn das Fieber wieder vorbei ist. Im Kopf, nicht am Körper.
Ich wollte dir sagen, daß mich als Frau noch nie jemand so
gekränkt hat, wie du das getan hast.«
»Anna...«
»Laß mich ausreden. Richtig gekränkt. Du bist ein ganz
gemeiner Dreckskerl, Salvo. Und ich habe das nicht verdient.«
»Anna, sei doch vernünftig. Was heute nacht passiert ist,
war doch nur zu deinem Besten...«
Anna legte auf. Montalbano hatte ihr schon hundertmal
erklärt, daß da nichts lief, aber er wußte, daß die junge Frau
sich in diesem Augenblick hundeelend fühlte, und kam sich
noch viel mieser vor als ein Schwein, denn Schweinefleisch
taugte zumindest zum Essen.
Das
Weitere Kostenlose Bücher