Commissario Montalbano 03 - Der Dieb der süssen Dinge
Eis nicht essen, es muß erst ein bißchen weicher werden.«
»Bevor ich zur Sache komme«, begann der Colonnello, der anscheinend ziemlich gute Nerven hatte, »möchte ich etwas klären. Sie schreiben in Ihrem zweiten Fax von dem Mord an einer Frau namens Aisha. Mit diesem Tod haben wir nichts zu tun. Es handelte sich gewiß um einen Unfall. Wenn es nötig gewesen wäre, sie auszuschalten, dann hätten wir das sofort getan.«
»Daran zweifle ich nicht. Das war mir völlig klar.«
»Und warum haben Sie in Ihrem Fax dann etwas anderes geschrieben?«
»Um noch eins draufzusetzen.«
»Aha. Haben Sie die Schriften und Reden von Mussolini gelesen?«
»Sie gehören nicht zu meiner Lieblingslektüre.«
»In einer seiner letzten Schriften stellt Mussolini fest, das Volk müsse wie ein Esel behandelt werden, mit Stock und Mohrrübe - mit Zuckerbrot und Peitsche.«
»Wie originell Mussolini ist! Wissen Sie was?«
»Was denn?«
»Das hat mein Großvater auch immer gesagt, der war Bauer. Aber anders als Mussolini bezog er sich dabei nur auf die Esel.«
»Darf ich in der Metapher fortfahren?«
»Verschonen Sie mich!«
»Ihre Faxe und der Umstand, daß Sie Ihren Kollegen Valente aus Mazàra überredet haben, den Kapitän des Fischkutters und den Stabschef des Prefetto zu vernehmen, dies und anderes mehr waren Ihre Stockhiebe, um uns aus dem Versteck zu locken.«
»Und wo bleibt die Mohrrübe?«
»Die besteht in Ihren Ausführungen während der Pressekonferenz, nachdem Sie Signora Lapecora wegen des Mordes an ihrem Mann haben festnehmen lassen. Da hätten Sie uns leicht mit reinziehen können, aber das wollten Sie nicht, sondern haben dieses Verbrechen ganz klar auf Eifersucht und Habgier beschränkt. Aber das war eine »bedrohliche« Mohrrübe, sie bedeutete…«
»Colonnello, ich rate Ihnen, die Metapher jetzt mal zu lassen, die Mohrrübe hat sprechen gelernt.«
»In Ordnung. Sie wollten uns mit der Pressekonferenz wissen lassen, daß Sie über bestimmte Vorgänge im Bilde waren, aber zu diesem Zeitpunkt die Katze noch nicht aus dem Sack lassen wollten. Ist das richtig?« Der Commissario streckte das Löffelchen zu seinem Teller hin, häufte etwas von der Torte darauf und führte es zum Mund.
»Sie ist immer noch zu hart«, teilte er Lohengrin Pera mit. »Sie sind nicht gerade ermutigend«, stellte der Colonnello fest, fuhr aber fort. »Würden Sie mir, wenn wir schon mit offenen Karten spielen, alles sagen, was Sie von dem Vorfall wissen?«
»Von welchem Vorfall?«
»Von der Ermordung Ahmed Moussas.« Er hatte ihn dazu gebracht, diesen Namen offen auszusprechen, was das Tonband der Kamera wie gewünscht aufnahm. »Nein.«
»Und warum nicht?«
»Weil es wundervoll ist, Ihrer Stimme zu lauschen.«
»Könnte ich ein Glas Wasser haben?«
Lohengrin Pera war äußerlich ganz ruhig und beherrscht, innerlich aber kochte er bestimmt schon. Die Bitte um Wasser war ein eindeutiges Signal.
»Holen Sie sich's in der Küche.«
Während der Colonnello mit einem Glas und dem Wasserhahn hantierte, bemerkte Montalbano, der ihn von hinten sah, daß sich sein Jackett auf der Höhe der rechten Gesäßbacke wölbte. War der Zwerg etwa mit einer Pistole bewaffnet, die doppelt so groß war wie er selbst? Der Commissario beschloß, auf der Hut zu sein, und legte ein sehr scharfes Messer neben sich, das er sonst zum Brotschneiden benutzte.
»Ich will mich kurzfassen«, schickte Lohengrin Pera voraus, als er sich setzte und seinen Mund mit einem briefmarkengroßen bestickten Taschentüchlein abwischte. »Vor etwas über zwei Jahren baten uns unsere Kollegen in Tunis um Zusammenarbeit bei einer schwierigen Operation, deren Ziel die Neutralisierung eines gefährlichen Terroristen war, dessen Namen ich Ihnen gerade genannt habe.«
»Verzeihen Sie«, sagte Montalbano, »mein Wortschatz ist ziemlich beschränkt. Meinen Sie mit Neutralisierung physische Ausschaltung?«
»Nennen Sie es, wie Sie wollen. Wir berieten uns natürlich mit unseren Vorgesetzten, die uns die Zusammenarbeit untersagten. Doch keine vier Wochen später befanden wir uns in der äußerst unangenehmen Lage, unsererseits die Freunde in Tunis um einen Gefallen bitten zu müssen.«
»So ein Zufall!« rief Montalbano.
»In der Tat. Ohne zu zögern, gewährten sie uns die Unterstützung, um die wir sie gebeten hatten, und damit hatten wir eine moralische Schuld…«
»Nein!« brüllte Montalbano. Lohengrin Pera zuckte zusammen. »Was ist denn?«
»Sie haben
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